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Arbeitswelten
            „Das perfekte Zusammenspiel



                zwischen Mensch und Tier“




                        PORTRÄT  Larissa Bujung ist Tiermedizinische Fachangestellte

                                  Von Katja Sponholz (Text) und Pasquale D‘Angiolillo (Foto)
        Ein Leben ohne Tiere kann sich die 27-jährige Larissa Bu-  bensgefährlichen Magendrehung bestand. „Der Chef hat
        jung nicht vorstellen. Weder im Beruf, noch in ihrem Pri-  nicht  verlangt, dass ich bleibe, aber für mich  war das
        vatleben. Schon von klein auf war sie von Tieren umge-  selbstverständlich“,  erzählt  die  patente  27-Jährige.  Statt
        ben: Erst von den Kaninchen ihres Opas, später dann von   nach Hause zu fahren, blieb sie in der Praxis und stellte
        allen möglichen Exoten und Nicht-Exoten auf dem priva-  sich den Wecker, um alle paar Stunden zu kontrollieren,
        ten Gnadenhof ihrer Eltern. Beim ersten Reh, das sie auf-  wie es dem Patienten ging.
        zog, war sie gerade mal zehn Jahre alt. Schon früh war ihr
        klar, dass sie nach dem Abitur Tierärztin werden wollte –   Dass der Hund den Vorfall gut überstand, ist einer der
        und als Grundlage dafür eine Ausbildung zur Tiermedizi-  Glücksmomente in ihrem Beruf. „Aber natürlich gibt es
        nischen Fachangestellten absolvieren wollte.                     auch viele traurige Fälle“, gibt sie zu. „Auch,
        Doch nach wenigen Monaten im Kleintierzen-  Wir haben sowohl die   wenn  wir immer  versuchen, ganz tapfer zu
        trum  Arz am Rotenbühl in Saarbrücken                            sein vor den Besitzern.“ Als kürzlich ein Hund,
        wusste sie, dass der Mediziner-Beruf doch   riesen Aufgabe, die   den sie von Beginn an kannte, eingeschläfert
        nicht für sie in Frage kam: „Die Verantwortung   Besitzer zu besänfti-  werden sollte, „da habe ich mitgeweint“. Und
        und die Selbstständigkeit – und auf der ande-  gen und zu unterstüt-  auch die Szene, als ein ganzer Wurf Katzen-
        ren Seite der  Wunsch nach Familienleben:   zen. Aber für uns steht   welpen starb, weil er viel zu früh auf die Welt
        das passte gefühlstechnisch nicht zusam-  natürlich auch das     gekommen war, wird sie wohl nie vergessen.
        men“, blickt sie zurück. Doch  was ideal zu-                     „Das geht einem wirklich nah.“ Unterm Strich
        sammenpasste, waren die Arbeit im Kleintier-  Wohl des Tieres im   überwiegen jedoch die schönen Erlebnisse:
        zentrum,  die  familiäre  Atmosphäre  in  dem   Mitttelpunkt.    Die Erfolgsgeschichten, wenn die Tiere eine
        19-köpfigen Team (darunter sieben Ärzte) und                     gefährliche Erkrankung oder einen Unfall
        ihr Chef Guido Arz. Dafür nimmt sie sogar eine                   überlebt haben. „Dann freut man sich, dass
        130 Kilometer lange Anfahrt von Piesport in                      ihnen das Leben geschenkt wurde!“ Auch je-
        Kauf: „Für eine gute Arbeitsstelle mache ich                     der Kaiserschnitt rührt sie an: „Dann geht mir
        das. Weil ich weiß, was ich darf, was ich kann,                  das Herz auf, wenn man die Welpen ins Le-
        und was mir hier für Möglichkeiten gegeben werden.“     ben rubbelt. Das sind die Sachen,  da weiß man, wofür
                                                                man diesen Beruf macht.“
        Schon in den ersten Wochen ihrer Ausbildung habe sie
        mehr erlebt, als andere in ihrem  Ausbildungsjahrgang   Und Larissa Bujung macht ihn nicht nur mit Leidenschaft
        nach drei Jahren. Von Beginn an hatte sie die Chance, alle   und Engagement, sondern auch mit einer besonderen
        Tätigkeiten in der Praxis kennenzulernen und selbst aus-  Kompetenz: Nicht ohne Grund wird sie von ihren Kollegin-
        zuführen: Dazu zählt nicht nur die Arbeit an der Rezeption   nen und Kollegen wohl als „kleine Tierärztin“ bezeichnet.
        oder die Behandlungsassistenz, sondern auch die Arbeit
        im OP. Ein Arbeitsbereich, den sie besonders gerne mag,
        weil man hier die größten Erfolge sehe. „Wenn wir einen
        Hund operiert haben, dem die Milz gerissen war, und er
        tut zwei Tage später so, als wäre nichts gewesen, dann ist    HINTERGRUND
        es das Faszinierendste, was man erleben kann.“ Ganz zu
        schweigen  von  den  Momenten,  wenn  die  Besitzer  die        Die Ausbildung zur Tiermedizinischen
        junge Frau vor Freude weinend umarmen, weil ihrem ge-         Fachkraft dauert drei Jahre, sie kann verkürzt
        liebten Tier das Leben gerettet wurde. Der Beruf als Tier-    werden. Es ist keine bestimmte Schulbildung
        medizinische Fachangestellte bedeutet für Larissa Bu-         vorgeschrieben, Betriebe stellen meist Azubis
        jung „das perfekte Zusammenspiel“ zwischen Mensch             mit Hochschulreife ein. Laut Agentur für
        und Tier. „Wir haben sowohl die riesen Aufgabe, die Be-       Arbeit beträgt die Vergütung im ersten Jahr
        sitzer zu besänftigen und zu unterstützen, aber für uns       790, im zweiten 870 und im dritten 950 Euro.
        steht natürlich auch das Wohl des Tieres im Mittelpunkt.“
        Dafür brauche es neben dem Fachwissen „auch die Em-             Als Anforderungen gelten unter anderem
        pathie, dass man spürt, es geht ihm nicht gut – auch wenn     Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein,
        man es nie zuvor gesehen hat.“                                Umgang mit Gerüchen und Ausscheidun-
                                                                      gen und psychische Stabilität.
        Viele Hunde und Katzen begleitet Larissa Bujung jedoch
        schon seit vielen Jahren – und hat zu ihnen eine beson-         Das Einstiegsgehalt als ausgelernte Kraft
        dere Beziehung aufgebaut. Wie zu jener 60 Kilo schwe-         liegt laut „Ausbildung.de“ zwischen 1.900
        ren Bordeaux-Dogge mit Verdacht auf einen Infarkt, die        und 2.400 Euro brutto monatlich.     ks
        nicht mehr laufen konnte und bei der die Gefahr einer le-

                                                                                       AK-Konkret 4|23  ·  29
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