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Titelthema
                           Ein Plädoyer für mehr Lehre statt


                           Leere an beruflichen Schulen



                           BERUFLICHE SCHULEN  Ein Programm für Quereinsteiger ist erforderlich

                           Fachkräfte müssen ausgebildet   fen werden, etwa in den Bereichen   Zentrums für Berufspädagogik an
                           werden. Doch dazu braucht es   Fahrzeug-,  Wasserstoff-  und  Ent-  saarländischen Hochschulen, ins-
                           auch ausreichend Lehrkräfte an   sorgungstechnik, aber auch im so-  besondere unter Berücksichtigung
                           beruflichen Schulen, die diese   zialpflegerischen  Bereich.  Diese   des technisch-gewerblichen und
                           Aufgabe wahrnehmen. Weshalb   Aspekte,  geburtenstarke Jahr-  sozialpflegerischen  Bereichs,  um
                           der Personalmangel an BBZen   gänge und Zuwanderung er-    eigenen Lehrkräftenachwuchs im
                  Claudia     schnellstmöglich behoben   schweren die Prognose des Perso-  Saarland ausbilden zu können. Pa-
                    Kilian     werden muss, erklärt Claudia   nalbedarfs.             rallel braucht es  dringend einen
               ist Lehrerin   Kilian in einem Gastbeitrag.  So überrascht es nicht, dass es   Auf- beziehungsweise Ausbau von
                     und                                 eine Diskrepanz zwischen den   Quereinstiegsprogrammen  für
             Personalrätin   Von Claudia Kilian          Zahlen gibt, die das Saarland für   Akademikerinnen und Akademiker
                  an einer                               den bundesweiten  Vergleich an   sowie  Fachpraktikerinnen  und
               beruflichen   Das saarländische Ministerium für   die Kultusminister Konferenz (KMK)   Fachpraktiker. Sie bereichern das
             Schule sowie   Bildung und Kultur erklärte zu Be-  sendet, und den Zahlen, die Pro-  berufliche Schulsystem, sofern sie
               stellvertre-  ginn  des  Schuljahres  2022/23,   fessor Klaus Klemm, emeritierter   gut  pädagogisch  qualifiziert  wer-
                   tende   dass es (noch) keinen Lehrkräfte-                          den.  Attraktiv  wird der Lehrberuf
             Landesvorsit-  mangel gebe. Gleichzeitig wurden   Der Zustand ist        für diese Personengruppe auch
                zende der   weniger als die Hälfte der Referen-  besorgniserregend    durch eine konkurrenzfähige Be-
             Gewerkschaft   dariatsplätze für das Lehramt an                          zahlung und gute  Arbeitsbedin-
                Erziehung   beruflichen  Schulen  zum  1.  Feb-  Bildungsforscher, für das Saarland   gungen, für die sich die GEW un-
              und Wissen-  ruar  2023  besetzt.  Fachkräfte-   prognostiziert.  Im  März  2023   ermüdlich einsetzt.
             schaft (GEW)   sicherung ist also auch an den Be-  zeigte er in seinem Impulsvortrag   Allerdings  wird sich der Perso-
                 Saarland.  rufsbildungszentren (BBZen) ein   beim  33.  Berufsbildungstag  der   nalmangel nicht ausschließlich
                           Problem, denn  wer soll die drin-  Gewerkschaft Erziehung und Wis-  durch Lehrerinnen decken lassen.
                           gend benötigten Fachkräfte aus-  senschaft (GEW), dass es bis 2035   Unterricht an den BBZen muss
                           bilden, wenn die Lehrkräftezimmer   einen eklatanten Lehrkräfteman-  weiter  gedacht  werden. Warum
                           immer leerer werden?          gel an saarländischen BBZen ge-  nicht mehr Lehrwerkmeister ein-
                             Auch wenn die Zahl der Schüle-  ben wird. Wo sich aus den Zahlen   stellen, die die Expertise in der Ver-
                           rinnen und Schüler an beruflichen   der  KMK  (2022)  ein  Mangel  von   mittlung  der  Fachpraxis  liefern?
                           Schulen in diesem Schuljahr rück-  etwas mehr als 100 Personen er-  Auch Sprachförderlehrkräfte und
                Prognosen   läufig ist, bedeutet dies nicht auto-  gibt, rechnet Klemm mit einer kor-  andere pädagogische Professio-
              sagen voraus,   matisch einen geringeren Bedarf   rigierten Bedarfsanalyse mit dem   nen  können im  Rahmen eines
                dass es bis   an Lehrkräften. Wichtige Einfluss-  Drei- bis  Vierfachen. Schulrefor-  multiprofessionellen Teams unter-
             zum Jahr 2035   faktoren sind unter anderem die   men oder bessere Betreuungs-  stützen. Echte Kooperationen zwi-
                    einen   Entwicklungen der Schülerzahlen   schlüssel sind hier nicht berück-  schen BBZ, Betrieb und anderen
                eklatanten   an den Gemeinschaftsschulen,   sichtigt. Dieser Zustand ist besorg-  Partnern könnten langfristig für
                 Personal-  den  beruflichen  Oberstufengym-  niserregend, da bereits jetzt über   Entlastung sorgen. Dann muss Be-
                mangel an   nasien und der  Auszubildenden-  steigende Unterrichtsausfälle und   rufsbildungszentren aber auch
            saarländischen   zahlen. Hinzu kommt, dass fortlau-  Überlastung berichtet wird. Lange   mehr Autonomie  zugestanden
             BBZen geben   fend bestehende Berufe neu ge-  fordert  die  GEW  bereits  die  Ein-  werden – um verlässlich planen zu
                     wird.  ordnet und neue Berufe geschaf-  richtung eines Lehrstuhls oder   können, aber auch, um innovative
                                                                                      Wege zu gehen. Wir müssen uns
                                                                                      endlich  von der quantitativen
                                                                                      Quote lösen und uns zu mehr Qua-
                                                                                      lität  in  beruflichen  Schulen  ver-
                                                                                      pflichten.  Gelingende  Arbeit  im
                                                                                      Team   und  in  Kooperationen
                                                                                      braucht einen zeitlichen und insti-
                                                                                      tutionellen  Rahmen.  Bildungsfi-
                                                                                      nanzierung und Investitionen in
                                                                                      das
                                                                                                      (Schul-)system
                                                                                            berufliche
                                                                                   Foto: Adobe Stock/Ibravery  gesordnung. Mit einer exzellenten
                                                                                      müssen daher wieder auf die Ta-
                                                                                                        beruflichen
                                                                                      individualisierten
                                                                                      (Aus-) Bildung würden die berufli-
                                                                                      chen Schulen maßgeblich zur
                                                                                      Standortattraktivität des Saarland-
                                                                                      es beitragen.


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