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Titelthema

        platz  schaffen  würde.  Mir  geht
        es gegen den Strich, dass in der
        Industrie oder generell in der
        Gesellschaft dieses Mutter-
        thema und das Berufstätig-Sein
        als  Frau immer zu riesen Dis-
        kussionen  führt  und  noch  im-
        mer  sehr  häufig  das  eine  das
        andere ausschließt. Ich möchte
        als Beispiel  vorangehen und
        zeigen, dass keines für das an-
        dere ein Hemmschuhsein muss.
        Das ist mir wichtig, weil ich mir
        auch für meine  Tochter  wün-
        sche, dass sie in anderen  Ver-
        hältnissen lebt und arbeitet,
        wenn sie erwachsen ist. Ich
        stehe meine Frau und lasse      Foto: Pasquale D‘Angiolillo
        mich  nicht  von  meinem  Weg
        und Ziel abbringen.
        Betriebsrätin  3:  Mein Engage-
        ment im Betriebsrat rührt daher,   das ist eher eine Frauensache.   sein:  Wenn ich etwas predige,   Noch imer gibt
        dass ich  während der  Ausbil-  Männer würden sich in diesem   was ich selbst nicht lebe, dann   es in Mitbe-
        dungszeit    wahrgenommen    Gremium eher aufstellen las-  bin ich nicht authentisch. Bil-  stimmungs-
        habe, dass es Mitbestimmung   sen, wenn sie mehr „Lorbeeren   dung ist hier ein großes Thema.   gremien in der
        gibt und erfahren durfte,  was   verdienen“  und  Beachtung  fin-  Nicht nur die schulische, auch   Regel weniger
        Jugend-  und  Auszubildenden-  den  würden. SBV´ler stehen   die politische Bildung außer-  Frauen als
        vertretungen und Betriebsräte   nicht  so  im  Rampenlicht  wie   halb des Schulsystems. Außer-  Männer.
        für die Menschen erreichen   Betriebs- und Personalräte. Das   dem  auch  die  vielseitigen  be-
        können.  Ich  wollte  mich  eben-  geben die Medien ja schon vor.   ruflichen Möglichkeiten und die
        falls beteiligen und die Meinung   Oder  haben  Sie  einmal  ein In-  Wege zu den  verschiedenen
        meiner Kolleginnen und Kolle-  terview gesehen, bei dem eine   Berufen. Es muss nicht immer
        gen gehört wissen. Eigene An-  Schwerbehindertenvertretung   nur der klassische  Weg sein,
        sichten einzubringen statt nur   befragt  wurde? Man hört und   Abitur,  Ausbildung, oder Stu-
        tatenlos alles hinnehmen zu   sieht  immer  nur  die  Betriebs-   dium, Beruf.
        müssen, war und ist mir wichtig.   und Personalräte in Interviews,
        Mitgestaltung  und  Solidarität   siehe Ford, ZF, etc.     Betriebsrätin 3: Bei aller Gleich-
        sind  hier  gute  Stichwörter.  Au-                        berechtigung wird doch in vie-
        ßerdem ist es natürlich ein   Betriebsrätin 2: Es ist schön, in   len  Bereichen  noch  so  gehan-
        schönes Gefühl, wenn man sein   der Mitbestimmung sein zu   delt, als wäre man in der Indus-
        Gegenüber bei Problemen un-  können,  einfach  zu  sehen, was   trie  im  Jahre  1960.  Wenige
        terstützen kann. Als Frau fühle   so alles hinter „den  verschlos-  Frauen, keine „soften“ Themen.
        ich mich nicht „aktiv“ benachtei-  sen Türen“ läuft. Und es ist auch   Allerdings will ich gewisse Auf-
        ligt. Es sind mehr die gewach-  schön, daran beteiligt zu sein,   gabenstellungen nicht davon
        senen Umstände, die Heraus-  dass  die Arbeitsbedingungen   abhängig sehen, ob Männer sie
        forderungen darstellen, wie das   besser  werden. Aber  frauen-  für uns mitdenken oder nicht.
        teilweise Unverständnis für Be-  spezifische  Themen,  zum  Bei-  Solange manche  Themen lei-
        dürfnisse außerhalb der Er-  spiel, dass wir noch immer we-  der noch „Frauenthemen“ sind,
        werbsarbeit.                 niger Lohn bekommen, müssen   müssen  wir Frauen dafür sor-
                                     einfach deutlicher angespro-  gen, dass sie gehört  werden.
        Warum ist es für Sie wichtig,   chen  werden. Da gibt es noch   Als Gesellschaft und als Unter-
        dass Frauen in Interessenver-  einige dicke Bretter zu bohren.   nehmen täte es uns daher gut,
        tretungen sind? Was muss     Ich ermutige jüngere Kollegin-  vom „Mutter sein“ zum „Familie
        getan werden, damit sich der   nen  auch,  sich  zu  engagieren,   sein“ umzudenken. Um den
        Frauenanteil in Interessenver-  aber die sind von der Gewerk-  Frauenanteil zu erhöhen, müs-
        tretungen erhöht?            schaftsarbeit oft abgeschreckt   sen  wir Frauen persönlich an-
                                     und einfach nicht daran interes-  sprechen. Unterstützend wirken
        Betriebsrätin 1: Frauen sind oft-  siert. Da muss man dann Ge-  bei einer Entscheidung  Vorbil-
        mals zielstrebiger und organi-  spräche führen, immer  wieder   der, Mentoring-Programme bie-
        sierter. Sie gehen mit  Themen   Ermunterungen aussprechen,   ten Orientierung. Möglicher-
        sensibler um – sie haben mehr   auch dahingehend, dass sie ih-  weise ist der Anstoß von außen
        Verständnis.  Ich  bin  auch  ren Weg gehen, vielleicht Wei-  – Mut machen und zeigen, dass
        Schwerbehindertenvertretung   terbildungen machen oder die   sie geeignet ist – der fehlende
        und in diesem Gremium sieht   Abendschule besuchen. Vor al-  Schritt zu einer Kandidatur der
        man  eher  Frauen  vertreten  –   lem  aber  muss  man  Vorbild   Kollegin.

                                                                                        AK-Konkret 4|23  ·  13
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