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Position
        Viele Wissenschaftler leiden unter


        prekären Arbeitsbedingungen



        HOCHSCHULEN  Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss reformiert werden

        Eklatant viele Wissenschaftle-  die Politik nun ändern: Bereits in   fristete Beschäftigung die Regel
        rinnen und Wissenschaftler sind   ihrem Koalitionsvertrag hatte die   sein, zumindest muss ein plan-
        befristet beschäftigt. Ursache   Bundesregierung zugesagt, die   barer Weg zur Dauerstelle eröff-
        der Misere ist das Wissen-   Arbeitsbedingungen in der Wis-  net und klar definiert werden.
        schaftszeitvertragsgesetz. Um   senschaft zu verbessern und das   Zwar enthält der BMBF-Vor-
        die prekären Arbeitsbedingun-  WissZeitVG zu reformieren. Da-  schlag nun das Instrument der
        gen der Forscher zu verbessern,   für will sie Planbarkeit und Ver-  Anschlusszusage, allerdings in
        muss das Gesetz umfassend    bindlichkeit in der Postdoc-  Form der außerhalb des Arbeit-
        reformiert werden.           Phase deutlich erhöhen, frühzei-  geberlagers weithin  abgelehn-
                                     tiger Perspektiven für alternative   ten „4+2-Regelung“. Als Kompro-
        Von Sabine Ohnesorg          Karrieren  schaffen  und  darauf   miss  käme stattdessen das
                                     hinwirken, dass Dauerstellen für   „2+4-Modell“ in Frage: Einer kur-
        Zeitverträge, kurze Vertragslauf-  Daueraufgaben geschaffen wer-  zen Orientierungsphase mit ei-
        zeiten und unsichere Perspekti-  den.                      ner Befristung von maximal zwei
        ven prägen das Normalarbeits-  Der nun Anfang Juni vom FDP-  Jahren folgt eine vierjährige Ent-
        verhältnis in der  Wissenschaft.   geführten  Bundesministerium  wicklungsphase  mit  Entfris-
        Bundesweit sind im akademi-  für Bildung und  Forschung    tungszusage bei Erreichung zu-
        schen  Mittelbau  mehr  als  90   (BMBF)  vorgelegte  Referenten-  vor  vereinbarter Ziele. Leider
        Prozent  des  hauptberuflichen   entwurf  bleibt  aber  leider  weit   wollte das BMBF dieses von vie-
        Personals  unter  45  Jahren  nur   hinter  den  Erwartungen  zurück;   len Akteuren unterstützte Modell
        befristet beschäftigt – bei insge-                         nicht mittragen. Auch in puncto
        samt begrenzten Karriereaus-   Die Familienplanung wird    Tariföffnung  gab  es  allenfalls
        sichten:  Die  Chancen  auf  eine   erheblich erschwert    halbherzige Lockerungen, die
        der wenigen  Lebenszeitprofes-                             bei weitem nicht ausreichen. Die
        suren sind gering, unbefristete   selbst die Koalitionspartner SPD   Tarifsperre  muss vielmehr voll-
        Vollzeitstellen im Mittelbau Man-  und Grüne  verweigern im Kern   ständig  wegfallen, damit Ge-
        gelware. Unter solchen Bedin-  ihre Zustimmung.  Auch Forde-  werkschaften und Beschäftigte
        gungen leidet nicht nur die Qua-  rungen von Gewerkschaften so-  über  Tarifverträge  bessere Ar-
        lität  der  wissenschaftlichen Ar-  wie Beschäftigten- und Studie-  beitsbedingungen  erstreiten
        beit in Forschung und Lehre.   rendenvertretungen  werden  können. Nun sind Bundesregie-
        Auch die Karriere- und Familien-  kaum berücksichtigt. So bleibt   rung und Bundestag gefragt,
        planung  wird erheblich er-  etwa  der  Qualifizierungsbegriff    den  BMBF-Entwurf  deutlich  Unbefristete
        schwert. Seit  Jahren schon sor-  weiterhin  unbestimmt, womit   nachzubessern – für eine echte   Vollzeitstellen
        gen diese prekären  Arbeitsbe-  auch künftig sachgrundlose Be-  Reform des WissZeitVG.   sind im
        dingungen für Proteste.      fristungen nach der Promotion                               akademischen
          Wesentlicher Grund für die Mi-  ermöglicht  werden. Gerade für   Sabine Ohnesorg leitet das Referat   Mittelbau
        sere ist ein Sonderbefristungs-  Postdocs sollte aber eine unbe-  Wissenschaft und Hochschulen.  Mangelware.
        recht, für das im Jahr 2007 das
        Wissenschaftszeitvertragsge-
        setz  (WissZeitVG)  geschaffen
        wurde. Verbunden mit ökonomi-
        schem Druck und dem Wunsch
        der  akademischen Arbeitgeber
        nach maximaler Flexibilität kam
        es in der Folge zu einem System
        der  Massenbefristungen von
        Promovierenden wie  Postdocs
        mit immer kürzer getakteten Ar-
        beitsverhältnissen.
          Diese Problematik ist seit lan-
        gem  bekannt  –  schon  die  No-
        velle  aus  dem  Jahr  2016  sollte
        lange Befristungsphasen und
        den hohen  Anteil kurzzeitiger                                                                      Foto: Adobe Stock/ Nejron Photo
        Verträge  eindämmen.  Doch wie
        die offizielle Evaluation aus dem
        vergangenen Jahr  zeigt, wurde
        dieses Ziel klar verfehlt. Das will

                                                                                        AK-Konkret 4|23  ·  17
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