Page 15 - AK-Konkret: 5 | 2023 | AK-SPEZIAL „WEITERBILDUNG“

Position
Gastgewerbe: Gute Arbeit

ist der Weg aus der Krise

ARBEITSKRÄFTEMANGEL Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären

Das Gastgewerbe klagt bereits !
seit Jahren über einen erheb-
lichen Arbeitskräftemangel. Das Weiterführende
Fehlen von Arbeitskräften in der Informationen
Branche ist allerdings nicht finden Interes-
wirklich überraschend, wenn sierte in der
man einen Blick auf die herr- Branchenana-
schenden Arbeitsbedingungen lyse von Karsten
und die Beschäftigtenstruktur Ries mit einem
wirft. Gastbeitrag von
Tobias Wolfan-
Von Karsten Ries ger, Geschäfts-
führer der
Im Gastgewerbe arbeiten mehr Gewerkschaft
als die Hälfte aller Beschäftigten Nahrung-Ge-
(56 Prozent) nur im Rahmen ge- nuss-Gaststät-
ringfügiger Beschäftigungsver- ten (NGG) in der
hältnisse (Mini-Jobs). Das heißt: Region Saar:
Maximal 15 Stunden pro Woche Foto: Adobe Stock/Hihitetlin www.
bei einem gedeckelten Ver- arbeitskammer.
dienst von 520 Euro. Bezieht de/ak-analyse-
man auch regulär Teilzeitbe- gastgewerbe
schäftigte mit ein, dann arbeitet
sogar nur noch einer von fünf Zahlreiche Beschäftigte haben der Branche den Rücken gekehrt.
Beschäftigten Vollzeit (21,7 Pro-
zent). In der Gastronomie ist es in weite Ferne rückt. Erschwe- schrumpfenden Erwerbsperso-
sogar weniger als jeder Zehnte. rend kommt hinzu, dass die Ar- nenpotenzials wird die Frage
Bei dem großen „Heer“ an un- beit in der Branche typischer- des Arbeits- und Fachkräftebe-
und angelernten Aushilfen han- weise zu sozial ungünstigen Zei- darfs in der Branche nicht an Bri-
delt es sich häufig um Studie- ten erbracht werden muss, also sanz verlieren. Arbeitgeber dür-
rende mit von vornherein be- dann, wenn andere frei haben. fen nicht bei den Beschäftigten
grenzter Bleibeperspektive in An dieser Tatsache lässt sich sparen und auf Verschleiß set-
der Branche. grundsätzlich kaum etwas än- zen. Sie müssen im Sinne Guter
Anders ist es aber bei Fach- dern. Hier sind neue Ideen ge- Arbeit umdenken und im Dialog
kräften, also denjenigen Be- fragt, wie Be- und Entlastungen mit ihren Beschäftigten auf Au-
schäftigten, die eine einschlä- genhöhe gemeinsam Wege in
gige Berufsausbildung in einem Gemeinsam Wege die Zukunft finden, die für beide
branchentypischen Beruf absol- in die Zukunft finden Seiten Erfolg versprechen. Erfor-
viert haben. Sie sollten von ihren derlich ist dafür insbesondere,
Arbeitgebern Arbeits- und Ein- für die benötigten Fachkräfte in dass tarifvertragliche Regelun-
kommensmöglichkeiten erwar- der Branche unter Gesichts- gen als Standard allgemeinver-
ten dürfen, die es ihnen ermög- punkten des Arbeits- und Ge- bindlich erklärt werden, weil nur
lichen, auch längerfristig in der sundheitsschutzes besser in so faire Wettbewerbsbedingun-
Branche zu arbeiten und mit ih- Einklang gebracht werden kön- gen für alle Betriebe erreicht
rem Verdienst ihren Lebensun- nen. Hier müssen Fragen der werden können.
terhalt auf Dauer zu sichern. In Arbeitszeit und der Vereinbarkeit Der Weg dorthin ist sicherlich
der Realität wird diese Erwar- von Familie und Beruf sowie noch weit. Eines muss dabei
tung aber oft nicht erfüllt: So nicht zuletzt auch der Entloh- aber klar sein: Qualität hat ihren
liegt etwa der durchschnittliche nung neu gedacht und zukunfts- Preis. Letztlich zahlt sich dieser
Bruttostundenlohn von Vollzeit- fähig gestaltet werden. Denn nur aber über ein lebenswertes gas-
kräften im Gastgewerbe (15,21 Fachkräfte können mit ihrem tronomisches Angebot für alle
Euro) rund zehn Euro unter dem Fachwissen im Gastgewerbe auf und über faire Entlohnung auch
saarländischen Durchschnitts- Dauer qualitativ hochwertige für die Beschäftigten in der
lohn – pro Stunde. Der Stunden- Angebote sicherstellen, die sich Branche aus.
lohn von Teilzeitkräften (12,55 vom systemgastronomischen
Euro) liegt sogar nur knapp über Einheitsbrei abheben. Karsten Ries leitet das Referat für
dem Mindestlohn, sodass für sie Angesichts des demografi- Konjunktur-, Arbeitsmarkt- und
ein auskömmliches Einkommen schen Wandels und des Verteilungspolitik.

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