Page 13 - AK-Konkret: 5 | 2023 | AK-SPEZIAL „WEITERBILDUNG“
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Titelthema
„Vorhandene Ängste baut man
am sichersten mit Beteiligung ab“
INTERVIEW Zum Gelingen der Digitalisierung ist echte Mitbestimmung nötig
Nachdem bereits andere Bundes- Rehlinger auf dem Betriebs- und ten darauf Vertrauern können,
länder ihre Personalvertretungs- Personalräteempfang das „beste dass sie mitgestalten und ent-
gesetze novelliert haben, hinkt Personalvertretungsgesetz aller scheiden können. Es muss also
das Saarland hinterher. Aktuell Bundesländer“ angekündigt. Wie eine Beteiligung organisiert wer-
werde auf Arbeitsebene verhan- sieht es heute aus? den, um so die Beschäftigten mit-
delt, man sei auf einem guten Wir sind da wirklich auf einem gu- zunehmen. Vorhandene Ängste
Weg, sagt Thomas Müller, der Ge- ten Weg, ein beispielgebendes baut man am sichersten mit Betei- Thomas
schäftsführer des ver.di-Bezirks Personalvertretungsgesetz zu ligung ab. Hier muss aus der Mit- Müller
Region Saar Trier im Gespräch mit entwickeln. Wir stellen uns vor, wirkung eine echte Mitbestim- ist stellvertre-
der AK-Konkret. Die Fragen stell- dass das Letztentscheidungsrecht mung vereinbart werden. tender
ten Simone Hien und Ralf Becker. der Einigungsstelle dem Grunde Vorstandsvor-
nach erhalten bleiben kann, wenn Gibt es aus Ihrer Sicht weitere sitzender der
Im April 2021 hat der Bundestag wir beispielhafte Mitbestim- Kritikpunkte bei der Novellierung Arbeits-
die Novellierung des Bundes- mungskataloge vereinbaren. Wir des SPersVG? Was sind Ihre kammer und
personalvertretungsgesetzes sind aktuell in Verhandlung mit Erwartungen an die saarländi- Bezirksge-
(BPersVG) beschlossen. Zwar gab dem Innenministerium und es sche Landesregierung, die an der schäftsführer
es Neuerungen wie etwa die Zu- sieht gut aus. Ich möchte zwar Stelle ja eine originäre Gesetzge- des ver.di-
lassung virtueller Personalratssit- nicht den Tag vor dem Abend lo- bungskompetenz bei der Bezirks
zungen oder das digitale Zu- ben, allerdings gibt es positive Sig- Mitbestimmung hat? Gibt es Region Saar
gangsrecht für Gewerkschaften nale, dass wir uns am Ende einigen einen Fahrplan für den weiteren Trier. Der
in Dienststellen, insgesamt aber können. Prozess? 58-Jährige ist
bewerteten der DGB und die Mit- Als Gewerkschafter wünscht man seit 30 Jahren
gliedsgewerkschaften des öf- Stichwort Digitalisierung: Nicht sich immer einen deutlichen Aus- als Gewerk-
fentlichen Dienstes die Novellie- zuletzt auch die Verwaltungen bau der Mitbestimmung. Hier nun schaftssekre-
rung nicht als Fortschritt. Was kri- stehen hier vor immensen aber die Erwartung zu haben, wei- tär tätig.
tisieren Sie konkret? Wie müsste Herausforderungen. Die digitale tere Anleihen aus dem Betriebs-
eine Novellierung zur Stärkung Transformation kann aber nur verfassungsgesetz heranzuziehen,
der Mitbestimmung aussehen? mithilfe der Beschäftigten ist zwar reizvoll, allerdings unrealis-
Grundsätzlich müsste die Mitbe- gelingen. Wie kann ein Personal- tisch. Deshalb versuchen wir im
stimmung analog zum Betriebs- rat die Digitalisierung in der Rahmen unserer juristischen Mög-
verfassungsgesetz ausgebaut Verwaltung mitgestalten? Wie lichkeiten den Abbau von Mitbe-
werden. So müsste es die Mög- muss die Mitbestimmung dafür stimmung zu verhindern. Zum Zeit-
lichkeit geben, auch in den Ver- angepasst beziehungsweise plan gibt es zwischen Landesre-
waltungen und Dienststellen Fra- erweitert werden? gierung und uns Einigkeit. Wir ver-
gen der Wirtschaftlichkeit zu erör- Die Digitalisierung ist in der Tat die handeln jetzt auf der Arbeitsebene.
tern. Es muss die Möglichkeit be- Mega-Aufgabe der nächsten Zeit. Die Mitbestimmungskataloge wer-
stehen, eben auch einen Hier war im SPersVG lediglich eine den mit Beispielen gefüllt. Wenn
Wirtschaftsausschuss bilden zu Mitwirkung der Personalvertre- wir hiermit durch sind, werden wir
können. Das größte Problem aller- tung vorgesehen. Hier haben wir wohl gegen Ende des Jahres das
dings ist der generelle Wegfall des Nachbesserungsbedarf angemel- Gesetzgebungsverfahren durch-
Letztentscheidungsrechtes der Ei- det. Denn soll die Digitalisierung laufen. Dann sehen wir, ob mein
nigungsstelle. Dies bedeutet, dass gelingen, müssen die Beschäftig- Optimismus gerechtfertigt war
im Streitfall die Mitbestimmungs-
tatbestände relativiert werden.
Was nützt eine Mitbestimmung,
die am Ende durch den Chef ein-
kassiert werden kann? Hierin sehe
ich die Mitbestimmung deutlich
geschwächt.
Eine Reihe von Bundesländern Der
hat in der Vergangenheit ihre Personalrat
Landesgesetze zum PersVG vertritt die
novelliert, zuletzt Rheinland- Foto: Adobe Stock/MQ-Illustrations Interessen
Pfalz. Die Novellierung des der Be-
saarländischen PersVG steht schäftigten im
noch aus. Vor knapp einem Jahr öffentlichen
hat Ministerpräsidentin Anke Dienst.
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