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Politik + Gesellschaft
                           Gleichberechtigte Bildungschancen


                           dürfen nicht an Armut scheitern



                           AK-FORUM  Bildung und soziale Teilhabe müssen dringend verbessert werden

                           Wie aktuell das Thema ist und wie
                           sehr es engagierten Eltern, Sozial-
                           arbeitern  und  Lehrkräften,  aber
                           auch Gewerkschaftern und Politi-
                           kern  auf  den  Nägeln  brennt,
                           wurde  schon  beim  Blick  in  den
                           Großen  Saal  der  Arbeitskammer
                           deutlich: Mehr als 100 Teilnehme-
                           rinnen  und  Teilnehmer  kamen
                           zum  AK-Forum  „Schulische  Bil-
                           dung und Teilhabe in schwierigen
                           Zeiten“,  zu  dem  die  AK  gemein-
                           sam mit der Gewerkschaft Erzie-
                           hung  und  Wissenschaft  (GEW)
                           eingeladen hatte.                                                                     Foto: Oliver Dietze
                           Von Katja Sponholz
                                                         Auf  dem  Podium  saßen  auch  Sozialminister  Magnus  Jung  (2.  von
                           „Auch bei uns im Saarland gehört   links) und Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (4. von links).
                           das Aufwachsen unter Armutsbe-
                           dingungen für immer mehr Kinder   Thema“. Patrik Lauer, Landrat aus   neue Startchancen-Programm der
                           und Jugendliche zum Alltag“, be-  Saarlouis und stellvertretender   Bundesregierung, von dem 4.000
                           tonte  AK-Hauptgeschäftsführer  Vorsitzender des saarländischen   Schulen  mit einem großen Anteil
                           Thomas Otto in seiner Begrüßung.   Landkreistages, plädierte dafür,   an sozial benachteiligten Schüle-
                           Laut Bertelsmann Stiftung  waren   statt das  Kindergeld zu  erhöhen   rinnen  und  Schülern  profitieren
                           im  vergangenen  Jahr  22  Prozent   lieber ein kostenloses Schulessen   sollen. „Da wünsche ich mir öffent-
                           der  Unter-18-Jährigen  von  Armut   anzubieten. „Wir dürfen Kinder   lichen Druck“, sagte sie. „Das Pro-
                           bedroht. Dieser erschreckende   nicht unter der Situation ihrer El-  gramm ist zwar großspurig ange-
                           Befund mache sich auch in den   tern leiden lassen“, sagte er. „Wenn   kündigt worden, aber im Moment
                           Schulen bemerkbar. „Armut ist ei-  wir über Bildungsgerechtigkeit re-  kommt es einfach nicht in die
                           nes der größten Hindernisse für   den wollen,  müssen wir  Biogra-  Gänge.“
                           gleichberechtigte Bildungs- und   phie abkoppeln vom Einkommen.“   Auch Sozialminister Dr. Magnus
                           damit für die Zukunftschancen                              Jung hofft auf Hilfe aus Berlin und
                           junger Menschen“, sagte Otto. Der   Kindergrundsicherung ist ein   appellierte, die Ursachen von Ar-
                           Arbeitskammer und der GEW sei   entscheidendes Instrument  mut anzugehen. „Wenn man über
                           es ein Anliegen, schnell zu reagie-                        Bildungsarmut  und  soziale  Teil-
                           ren, und  zu überlegen,  welche   Ein  „Gegeneinander-Ausspie-  habe  spricht,  bringt  es  uns  nicht
                           möglichst  niedrigschwelligen An-  len“ von Kindern und Familien, so   weiter, zu  diskutieren, ob  Eltern
                           gebote gemacht werden können,   Dr. Andrea Amri-Henkel  von  Pa-  das Geld richtig  verwenden. Der
                           um  Bildung,  soziale  Teilhabe,  In-  rents for Future und Schuleltern-  entscheidende Punkt ist, dass Fa-
                           klusion und Chancengleichheit zu   sprecherin der GS Füllengarten,   milien zu wenig Geld in der Hand
                           sichern beziehungsweise zu  ver-  halte sie jedoch für etwas absurd.   haben.“ Einziger Ausweg aus die-
                           bessern.                      „Wenn man Familien hilft, hilft man   sem Dilemma könne nur die Kin-
                             „Ich wünsche mir, dass man ein   auch den Kindern! Wir müssen es   dergrundsicherung sein, die 2025
                           gemeinsames Verständnis von Ar-  zusammendenken,  sonst wird   kommen solle – als eine der gro-
                           mut hat. Es gilt, Stigmatisierung zu   man zu keiner Lösung finden.“   ßen sozialpolitischen Reformen
                           vermeiden und zu überlegen, wel-  Bildungsministerin  Christine  der Bundesregierung. Das saar-
                           che praktischen Hilfen können wir   Streichert-Clivot setzt auf Zusam-  ländische Ziel, die Armut der Kin-
                           bieten“, sagte Liliane Rosar-Ickler,   menarbeit und forderte Eltern,   der  im  Land  zu  halbieren,  könne
                           sozialpädagogische Leiterin der   Schulen und Behörden dazu  auf,   nur erreicht werden, wenn genau
                           Gebundenen    Ganztagsgrund-  sich zusammenzuschließen und   dieses entscheidende Instrument
                           schule  (GS)  Füllengarten.  Wer   die  Themen  gemeinsam  abzuar-  eingeführt und zudem Bürokratie
                           schon einmal am Monatsende in   beiten.  „Das versuchen wir  auf   abgebaut werde.  „Damit werden
                           die Brotdosen der Kinder geschaut   Landesebene mit den Kommunen   nicht alle Probleme gelöst“, sagte
                           habe,  dem werde  deutlich, wo   schon seit langer Zeit. Sonst hätten   er. „Aber das Grundübel, die Ein-
                           gleichberechtigte Teilhabe begin-  wir das System der Schulsozialar-  kommensarmut, zu beseitigen, ist
                           nen müsse.  Auch Schulverkösti-  beit heute nicht.“ Unterstützung   die Voraussetzung, dass es funkti-
                           gung sei da „ein extrem wichtiges   erwartet  sie  im  Kampf  um  das   oniert.“


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