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Saarländisches Bildungsfreistellungsgesetz
Wir brauchen eine positive
Weiterbildungskultur in den Betrieben
Nach mehr als 20 Jahren hat die saarländische Landesregierung endlich beitgeber und seinen Vorgesetzten
einen Standortnachteil für saarländische Arbeitnehmerinnen und Arbeit- liegt, entscheidet beim Bildungs-
nehmer beseitigt: Der Anspruch auf Bildungsfreistellung wurde – nach- freistellungsgesetz der einzelne Ar-
dem es von der CDU-Landesregierung im Jahr 2003 zu Ungunsten der beitnehmer autonom. Er beantragt
Arbeitnehmer verändert worden war – wieder auf das Niveau der anderen dann eine Weiterbildungsmaßnahme,
Bundesländer mit Bildungsfreistellungsgesetzen gebracht. Im Wettbe- wenn er es aus seiner Sicht für not-
werb um die besten Köpfe kann das Saarland jetzt wieder mit gleichen wendig erachtet. Der Arbeitgeber
Weiterbildungsmöglichkeiten punkten. kann die Freistellung lediglich verwei-
gern, wenn es zwingende dienstliche
• Von Ralf Haas oder betriebliche Gründe gibt bzw. Ur-
laubswünsche anderer Beschäftigter,
Gerade in Zeiten des Fachkräfteman- die unter sozialen Gesichtspunkten
gels ist das ein wichtiges Signal an alle Vorrang verdienen, der Freistellung
Beschäftigten, die jetzt – ohne eigene entgegenstehen. Wenn der Beschäf-
arbeitsfreie Zeit einbringen zu müssen tigte also bei seiner Weiterbildungs-
– wieder fünf Tage Bildungsfreistel- planung die betrieblichen Rahmenbe-
lung pro Jahr in Anspruch nehmen dingungen und die Urlaubsplanung
können, um an Veranstaltungen der berücksichtigt, sollte in der Regel eine
beruflichen oder politischen Bildung Teilnahme zum gewünschten Termin
teilzunehmen oder um sich für ihr Eh- möglich sein.
renamt weiterzubilden. Die verbesser-
ten Regelungen in kleineren Unter- 2. Arbeitnehmer entscheiden selbst
nehmen tragen dazu bei, dass die über ihre Weiterbildungsinhalte
Weiterbildungsbeteiligung der Be- Auch über die Inhalte entscheidet der
schäftigten in diesen Betrieben erhöht einzelne Arbeitnehmer frei: Er kann
werden kann. Für 2024 listet der Bildungskurier des sich beruflich weiterqualifizieren, aber
BZK 84 Bildungsveranstaltungen auf. auch eine Veranstaltung der politi-
Lautstarker Protest von Opposition schen Bildung besuchen oder sich für
und Wirtschaftsverbänden – Um was 1. Jeder Beschäftigte hat einen indivi- das Ehrenamt weiterbilden. Es ist
geht es eigentlich? duellen Anspruch keine Rechtfertigung beim Arbeitge-
Während bei betrieblichen Weiterbil- ber notwendig, warum gerade diese
Während der parlamentarischen Bera- dungsveranstaltungen die Steuerung Maßnahme ausgewählt wurde. Es
tung ging es hoch her: Redner der Op- der Maßnahmen und die Auswahl der muss auch keinen direkten Zusam-
position sahen in der Gesetzesände- Teilnehmenden vorrangig beim Ar- menhang zur betrieblichen Tätigkeit
rung kaum zu vertretende Belastungen
für den Wirtschaftsstandort Saarland.
Auch die Unternehmensverbände pro-
testierten lautstark gegen die Erhö-
hung des Anspruchs, betonen aber
gleichzeitig, wie offen sie für betrieb-
lich verwertbare Weiterbildung sind,
deren Kosten sie auch gerne überneh-
men. Da reibt man sich verwundert die
Augen: Die finanziellen Zusatzbelas-
tungen durch die Gesetzesänderung
sind – bezogen auf die Gesamtperso-
nalkosten – sehr überschaubar. Sie
dürften – wenn überhaupt messbar –
im Promillebereich liegen. Warum
dann der heftige Protest der Arbeitge-
ber und ihrer Verbände? Es muss ihnen
wohl um etwas anderes gehen. Foto: Pasquale D‘Angiolillo
Es wird offensichtlich eine Auseinan-
dersetzung darum geführt, wer die
Entscheidungsgewalt über die Aus-
wahl der Teilnehmer an Bildungsmaß-
nahmen und über die zulässigen In- Weiterbildung kann der beruflichen Qualifizierung dienen, gesellschaftspolitisches
halte hat. Offenbar bereiten den oder gewerkschaftliches Engagement stärken und den persönlichen Horizont erwei-
Wirtschaftsverbänden drei zentrale tern. Darüber hinaus ist sie ein wesentlicher Schlüssel zur aktiven Gestaltung der
Dinge Bauchschmerzen: Transformation.
2 • AK-Spezial zur Novellierung des SFBG 1|2024