Page 27 - AK-Konkret: 2 | 2024 | AK-SPEZIAL „Für junge Leute“
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Arbeit + Gesundheit
Arbeit + Gesundheit
dürfnis, durch Leistung von an- Arbeitsregeln sind wichtig“, sagt Die „perfekten“
deren Leuten wahrgenommen der Coach. Aus seiner Erfahrung
und anerkannt zu werden“, be- als Wirtschaftspsychologe wisse Mitarbeiter?
schreibt Hemsing. Jemand, der er, dass für viele Menschen die
eine gewisse Achtsamkeit mit subjektiv akzeptierte tägliche ARBEITGEBER DENKEN LANGSAM UM
sich selbst hat, spürt irgend- Arbeitszeit bei zehn oder elf
wann, dass die Arbeit zu viel wird Stunden liege, obwohl in ihrem Workaholics müssen für Arbeitgeber
und bremst sich. Es sei denn, die Vertrag nur acht stehen. Hier gilt 1 doch eigentlich die idealen Mitarbeiter
Überbelastung dient ihm zu et- es anzusetzen. Natürlich lässt sein, oder? „Ja, von vielen wird das so-
was. „Es macht ja auch Spaß“, sich nicht unbedingt realisieren, gar ausgenutzt“, meint der Saarbrücker Wirt-
gibt der Psychologe zu beden- dass man keine einzige Über- schaftspsychologe Andreas Hemsing. „Skrupel-
ken. Schließlich handle es sich stunde mehr leistet und nach lose Vorgesetzte freuen sich und schließen die
um einen Stressfaktor, der am acht Stunden seinen Arbeits- Augen, wenn sie sehen, dass jemand an seine
Ende zu einem Glücksgefühl platz verlässt. „Aber man sollte Grenzen oder darüber hinaus geht.“ Auf der an-
führt und dabei im Gehirn die versuchen, sich eine Grenze zu deren Seite stellt Hemsing fest, dass sich das
gleichen biochemischen Pro- setzen: Etwa, dass man pro Wo- Bewusstsein bei vielen Arbeitgebern heute än-
zesse auslöst wie jede andere che maximal an zwei Tagen eine dere. „Sie denken heute auf längere Sicht und
Sucht. Stunde mehr macht. Oder dass wissen, dass sie ihre Mitarbeitenden eher pfle-
Wenn jedoch die körperlichen man die Überstunden regelmä- gen und dafür sorgen müssen, dass sie lange
Symptome zunehmen, wenn ßig reduziert und alle 14 Tage Jahre und nicht lange Tage arbeiten.“
sich Angehörige und Freunde wieder bis auf Null setzt.“
beklagen, dass man zu wenig Vor allem aber brauche ich
Zeit mit ihnen verbringt, dann etwas, was auch außerhalb des
wird es höchste Zeit, die Reiß- Jobs attraktiv ist, um mich von Je jünger, umso
leine zu ziehen. Ganz alleine der Arbeitsstätte wegzulocken.
schafft man es jedoch kaum, „Etwas, was einen gewissen arbeitssüchtiger
sich aus dieser Sucht zu be- Lustgewinn erzeugt und mich
freien. „Eine Selbsttherapie ist wegzieht“, beschreibt Hemsing. REAKTION AUF ZU „HOHES“ GEHALT?
selten erfolgreich“, meint Hem- Es geht darum, immer wieder
sing. „Ich brauche jemanden, einen Ausgleich zu schaffen zwi- Bei einer Umfrage des britischen Mei-
der mich auf die Spur bringt, der schen der Leistungserbringung 2 nungsforschungsinstituts YouGov un-
mir die richtigen Fragen stellt, auf der einen Seite und den Be- ter 5025 Deutschen im Juli 2023 sag-
damit ich meine persönlichen reichen Entwicklung, Sinnsuche ten am häufigsten die 25- bis 34-Jährigen, süch-
Ursachen für dieses Verhalten (Kultur, Karitativität, Spiritualität) tig nach Arbeit zu sein. Unter ihnen machte der
erkenne.“ Er empfiehlt stattdes- und sozialer Nähe auf den an- Anteil der selbst ernannten Workaholics ganze
sen, sich in einem ersten Schritt deren Seiten. Auch ein Enga- 29 Prozent aus. Mit 24 Prozent bei den 35- bis
einer Selbsthilfegruppe anzu- gement im freiwilligen Bereich 44-Jährigen, 15 Prozent bei den 45- bis 54-Jähri-
schließen oder professionelle kann da für die nötige Entspan- gen und zwölf Prozent bei den über 55-Jährigen
Hilfe in Form einer Psychothera- nung sorgen. Sehr sogar, weiß sinkt die Zahl der Arbeitssüchtigen mit zuneh-
pie zu suchen. Sie könne helfen, Andreas Hemsing: „Ehrenämter mendem Alter. Eine Erklärung dafür könnte
die verantwortlichen Treiber zu gehören zu den glücklich ma- sein, dass Jüngere, die mit einem hohen Gehalt
identifizieren und umzuleiten, chendsten Dingen im Leben – starten, das Gefühl haben, sie hätten „noch nicht
„damit sie nicht wieder in diese neben Gartenarbeit.“ genug drauf“, um schon viel Geld zu verdienen.
Falle hineinrutschen.“ Dies versuchten sie dann mit umso mehr Arbeit
Und auch prophylaktisch Katja Sponholz arbeitet als freie zu kompensieren, zeigten bereits Studien im
kann man aktiv werden. „Klare Journalistin in Saarbrücken. Jahr 2011.
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Arbeitskammer: Fragen rund um die The-
men Sicherheit und Gesundheitsschutz be-
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beiter des Referats Betriebliche Sicherheit
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und Gesundheitsschutz der Arbeitskammer.
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beiter von BEST bieten Betriebs- und Perso-
nalräten sowie Mitarbeitervertretungen be-
lastungssituationen, Arbeitszeit und betrieb-
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Gesundheitsmanagement
Wer den Verdacht hat, Workaholic zu sein, sollte sich professionelle triebliche Analysen und Beratungen zu Be-
HIlfe holen. Wer die Tendenz hat, zu viel zu arbeiten, kann mit Kontakt: www.best-saarland.de, Tel.: 0681
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