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Nominal- und Reallohnentwicklung von Vollzeitbeschäftigten (ohne Sonderzahlung) nach Wirtschaftsbereichen
Saarland Deutschland
Brutto- Verdienstentwicklung2023 Brutto- Verdienstentwicklung2023
monats- 2.Quartal** monats- 2.Quartal**
Wirtschaftszweig
verdienst* verdienst*
2022 nominal real 2022 nominal real
Euro in % Euro in %
Produzierendes Gewerbe 3.890 7,1 0,2 4.119 6,6 0,1
und Dienstleistungsbereich
Produzierendes Gewerbe 3.922 7,2 0,3 4.123 6,5 0,0
und wirtschaftliche Dienstleistungen
Produzierendes Gewerbe 3.800 7,5 0,6 4.098 5,9 -0,6
Verarbeitendes Gewerbe 4.036 7,9 1,0 4.277 5,6 -0,9
Dienstleistungsbereich 3.481 6,7 -0,2 4.117 7,0 0,5
Wirtschaftliche Dienstleistungen 3.671 6,6 -0,3 4.079 7,1 0,6
ÖffentlicheundpersönlicheDienstleistungen 4.127 6,9 0,0 4.181 6,3 -0,2
*ohneSonderzahlung;**Veränderung2.Quartal2023gegenüber2.Quartal2022
Es brodelt im Kessel
LOHN Beschäftigte erleben Reallohnverluste trotz Einkommenszuwachs
Einkommen verlieren zunehmend lionen Beschäftigte wurden zu- Vollzeitbeschäftigten (ohne Son-
an Kaufkraft, weil steigende dem Tariferhöhungen wirksam, die derzahlungen). Im Vergleich zum
Verbraucherpreise errungene bereits früher ausgehandelt wor- zweiten Quartal 2022 sind diese
Einkommenszuwächse aufzehren. den waren. Zusammengenommen nominal durchschnittlich um 7,1
Höhere Lohnforderungen sind stiegen die Tariflöhne nominal um Prozent gestiegen, nach Abzug der
berechtigt, denn es geht um die durchschnittlich 5,6 Prozent, bezo- Inflation verbleibt beim Reallohn-
faire Verteilung von Belastungen. gen nur auf die Neuabschlüsse aus niveau ein kleines Plus von 0,2%.
dem 1. Halbjahr 2023 um 6,6 Pro- Im Dienstleistungsbereich fällt das
Von Karsten Ries zent. Zieht man die Inflation aller- Ergebnis mit minus 0,2 Prozent ne-
dings davon ab, ergibt sich eine gativ aus. Die Bereiche Handel, In-
Hohe Inflationsraten haben die negative Entwicklung: Laut Tarifar- standhaltung und Reparatur von
Einkommenssituation der Be- chiv des Wirtschafts- und Sozial- Kraftfahrzeugen (-1,1 %) sowie die
schäftigten an der Saar spürbar wissenschaftlichen Institus (WSI) Finanz- und Versicherungsdienst-
verschlechtert. Im Jahresdurch- der Hans-Böckler-Stiftung beläuft leistungen (-0,8 %) und der Öffent-
schnitt 2022 stiegen die Verbrau- sich der durchschnittliche Einkom- liche Dienst (-01,7 %) verzeichnen
cherpreise hierzulande durch- mensverlust auf 1,7 Prozent. hier die höchsten Einkommensver-
schnittlich um 6,2 Prozent, im ers- luste. Im Gastgewerbe steigen die
ten Halbjahr 2023 um 6,9 Prozent. Steigende Konfliktbereitschaft Einkommen dagegen nominal um
Dabei ist zu beachten, dass haus- plus 8 Prozent und auch real um
haltstypische Warenkörbe zu indi- Zur Bewältigung der Transfor- plus 1,1 Prozent. Das ist aber aus-
viduell noch höheren Inflationsra- mationsfolgen für Beschäftigte schließlich der Anhebung des Min-
ten führen. Laut Inflationsmonitor wird neben Tarifpolitik aber auch destlohns auf 12 Euro geschuldet
des Instituts für Makroökonomie staatliche Unterstützung benötigt. und ändert nichts daran, dass die
und Konjunkturforschung (IMK) lei- Hierzu können in den Tarifab- Beschäftigten dieser Niedriglohn-
den etwa Haushalte mit niedrigen schlüssen steuer- und abgaben- branche mit zu den Hauptleidtra-
Einkommen aufgrund ihres höhe- freie Inflationsprämien zwischen genden der Preisentwicklung zäh-
ren Anteils an Gütern des Grund- 1.000 und 3.000 Euro vereinbart len – zumal die Tarifverhandlungen
bedarfs stärker unter steigenden werden, die in mehreren Tranchen der Branche wegen der Diskussion
Lebensmittelpreisen. Ihre grup- oder als Einmalzahlung ausgezahlt um die Mehrwertsteuererhöhung
penbezogene Inflationsrate fiel da- werden können. Sie tragen über auf 2024 vertagt wurden. Die
durch noch höher aus als im den „Brutto-für-netto“-Effekt zwar jüngsten Tarifrunden zeigen bei
Durchschnitt. Anders ausgedrückt: zur Sicherung der Reallöhne bei, den Beschäftigten eine spürbare
Die Schwächsten müssen die sind aber nicht tabellenwirksam Zunahme der Konfliktbereitschaft
größten Lasten bewältigen. und werden sich in den Folgejah- zur Sicherung der Realeinkom-
In der Tarifpolitik haben die Ge- ren stark dämpfend auf die Lohn- men. Gesellschaftspolitisch wie
werkschaften auf diese Herausfor- entwicklung auswirken. Das heißt: volkswirtschaftlich handelt es sich
derungen differenziert reagiert. Die Folgen der Inflation werden um eine vordringliche Aufgabe, an-
! Neben einem im Vergleich zu den sich über die geringere Kaufkraft gesichts sich weiter eintrübender
der Einkommen dauerhaft im
Konjunkturaussichten
weitere
Vorjahren deutlich höheren Lohn-
plus, forderten sie auch absolute Geldbeutel der Beschäftigten aus- Kaufkraftverluste und damit aus-
Das WSI- Mindesterhöhungen, von denen wirken, auch wenn sich für das bleibende Nachfrage zu verhin-
Tarifarchiv niedrige Einkommensgruppen in zweite Halbjahr eine Verlangsa- dern.
finden stärkerem Maße profitieren. Für 4,4 mung des Preisanstiegs andeutet.
Interessierte Millionen Beschäftigte wurden im Ein etwas anderes Bild zeigt der Karsten Ries leitet das Referat
hier: ersten Halbjahr 2023 neue Tarifab- Blick auf die Entwicklung der effek- Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt-
www.wsi.de schlüsse ausgehandelt, für 9,2 Mil- tiven Bruttomonatsverdienste von und Verteilungspolitik.
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