Page 7 - AK-Konkret: 6 | 2023 | AK-SPEZIAL „Leben und Freizeit“
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Außenhandel hinzu. Auch wenn
sich die Liefer- und Materialeng-
pässe etwas entspannt haben,
wirken sich höhere Kosten infolge
der hierzulande besonders stark
gestiegenen Energie- und Materi-
alpreise negativ auf die globale
Wettbewerbsfähigkeit der deut-
schen bzw. saarländischen Indust-
rie aus. So hat sich etwa der Indus-
triestrompreis seit 2019 um knapp
50 Prozent erhöht, was insbeson-
dere energieintensive Branchen Foto: Pasquale D‘Angiolillo
wie die Stahlindustrie an der Saar
stark belastet. Noch problemati-
scher für die Exportwirtschaft: Der
Wachstumskurs der Weltwirt-
schaft befindet sich auf einem ab- Es kriselt und krankt also an vie- zu lindern und zeitgleich die sich Die
steigenden Ast, sodass sich die len Stellen. Und neue und grö- notwendigerweise vollziehende saarländische
Nachfrage zum Beispiel aus den ßere Krisen sind unter den kapita- Transformation zu gestalten, Industrie, hier
USA oder dem Euroraum nach In- listischen Zwängen von Konkur- braucht es politische Interventio- im Bild die
vestitionsgütern aus Deutschland renz und Profitmaximierung vor- nen und einen handlungsfähigen Dillinger
bzw. dem Saarland abschwächt. programmiert. Krisen sind weniger Staat – auch im Saarland. Dabei ist Hütte, kämpft
Zentralbanken weltweit haben in- auf externe Auslöser zurückzufüh- der Einsatz für eine gute gesell- bereis seit
folge der Inflation die Leitzinsen ren, sondern liegen in den Wider- schaftliche Infrastruktur in den Be- Jahren mit
erhöht – die Zeiten, in der die Welt- sprüchen des Systems begründet. reichen Gesundheits- und Ener- enormen
wirtschaft mit billigem Geld ver- Die sich zuspitzende Risikobereit- gieversorgung, (Weiter-)Bildung, Heraus-
sorgt wird, scheinen vorbei. Hinzu schaft auf der Suche nach neuen ÖPNV etc. zentral – also eine Aus- forderungen.
kommt, dass auch China als be- weitung der öffentlichen Investitio-
deutendes Zielland deutscher Ex- Diversifizierung ist nötig nen statt einem Festhalten an der
porte mehr und mehr über um- Schuldenbremse notwendig. Dies
fangreiche Liefer- und Wertschöp- Profiten im Wettbewerb führt zu gilt auch vor dem Hintergrund ei-
fungsketten im eigenen Land ver- unsicheren Investitionen und in ner Diversifizierung der Wirt-
fügt und entsprechend die Aufschwungsphasen zu Überpro- schaftsstruktur: Das Saarland
Nachfrage nach Importen aus duktion – bis die Wirtschaft über- muss seine Wirtschaft breiter auf-
dem Ausland absenkt. Unter all- hitzt und zusammenbricht. Mit der stellen, um weniger anfällig für
dem leidet die exportorientierte zunehmenden Verflechtung und globale Marktschwankungen zu
Saar-Industrie – die ausländischen der Ausdehnung des Weltmarktes sein. Investitionen in neue Techno-
Bestellungen von Industrieer- nehmen auch Umfang und Inten- logien, erneuerbare Energien und
zeugnissen aus dem Saarland sind sität von Krisen zu. In den letzten innovative Branchen können dabei
im bisherigen Jahresverlauf um Jahrzehnten war dies zu beobach- helfen. Zudem bedarf es der Stär-
gut 7 Prozent eingebrochen. ten beim Platzen der Dotcom- kung der Binnennachfrage durch
Die Gebrechen der deutschen Blase im Jahr 2000, der Finanz- expansive Lohnpolitik und sichere
bzw. saarländischen Wirtschaft krise ab 2007, der Corona-Krise ab Arbeitsplätze sowie durch eine
lassen sich also auch durch die 2020 sowie auch anhand der Kri- Steigerung der Verteilungsge-
starke Fokussierung auf eine ex- sen infolge von Kriegen wie aktuell rechtigkeit im Zuge einer ange-
portorientierte Industrie zurück- in der Ukraine. Um die Auswirkun- messenen Steuerpolitik zuguns-
führen. Darüber hinaus krankt es gen und Symptome solcher Krisen ten der lohnabhängigen Klasse.
auch im Inneren: Infolge der nega-
tiven Reallohnentwicklung sinkt
die Kaufkraft der Bevölkerung;
entsprechend schwächeln die pri- AK-STANDPUNKTE ZUM TITELTHEMA
vaten Konsumausgaben. Verstärkt
wird dieser Effekt durch die höhe- Ein handlungsfähiger Staat muss Auswirkungen von Krisen
ren Zinsen – die Beschaffung von
Kapital wird teurer, worunter ins- lindern und die notwendige Transformation gestalten
besondere die Wohnungsbautä-
tigkeit leidet. Die Bauwirtschaft im Statt an der Schuldenbremse festzuhalten, sollten die öffent-
Saarland befindet sich ohnehin lichen Investitionen in die gesellschaftliche Infrastruktur ausge-
seit geraumer Zeit in einem kriti- weitet werden.
schen Zustand: steigende Materi- Das Saarland muss seine Wirtschaft breiter aufstellen, um weniger
alkosten, fehlendes Personal, anfällig für globale Marktschwankungen zu sein.
rückläufige Auftragseingänge –
auch im bisherigen Jahresverlauf Die Binnennachfrage muss durch expansive Lohnpolitik und
(-3,5 % bis September im saarlän- sichere Arbeitsplätze gestärkt werden.
dischen Bauhauptgewerbe).
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