Page 30 - AK-Konkret: 6 | 2023 | AK-SPEZIAL „Leben und Freizeit“
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Politik + Gesellschaft
                           „Die soziale Teilhabe muss


                           gewährleistet werden“



                           ARMUTSKONFERENZ  Seit 30 Jahren gibt die SAK Betroffenen eine Stimme

                           Seit 30 Jahren gibt es die Saar-
                           ländische Armutskonferenz. Erst
                           als Forum, dann als Verein rückt
                           sie das Thema Armut ins öffentli-
                           che Bewusstsein und gibt von
                           Armut betroffenen Menschen
                           eine Lobby. Bei einem Besuch in
                           der Redaktion der AK-Konkret
                           blickte der SAK-Vorsitzende
                           Michael Leinenbach auf bisher
                           Erreichtes zurück und kritisierte
                           aktuelle politische Entwicklungen.                                                    Foto: Stephan Klein/SAK
                           Von Simone Hien

                           „Die Armutskonferenz hat in ihrer   Michael  Leinenbach  (links)  mit  anderen  Mitgliedern  der  SAK  bei
                           Historie  gemacht,  was  sie  kann.   einer Aktion zum Weltarmutstag 2023 in Saarbrücken.
                           Sie wird  auch weiterhin  tun, was
                           sie  kann“,  sagt  Michael  Leinen-  zialarbeiter.  In  diesen  30  Jahren   len Veranstaltungen  teilzuneh-
                           bach.  Gegen  die  Tatsache  aber,   konnte die SAK einige Verbesse-  men.“  Tatsächlich  aber  bestehe
                           dass Armut weiterhin eine gesell-  rungen  im  Saarland  erreichen,   eine  deutliche  Diskrepanz  zwi-
                           schaftliche Realität bleibe, bei der   beispielsweise  die  Einrichtung   schen diesem Anspruch und der
                           auch  oft gerne  weggeschaut   der Melde- und Steuerungsstelle   Realität.  Zudem  zeichne  sich  ab,
                           werde und die leider auch wächst,   zur  Vermeidung  von  Stromsper-  dass sich die Situation Betroffener
                      !    könne sie jedoch nichts tun, sagt   ren,  die  regelmäßige  Veröffentli-  durch  aktuelle  politische  Ent-
                           der  Vorsitzende der Saarländi-
                                                                                      scheidungen  verschärfen  werde.
                                                         chung des Saarländischen  Ar-
                           schen Armutskonferenz (SAK). Er   muts-  und  Reichtumsberichts,   Die Kindergrundsicherung etwa
                In der SAK   betont: „Es kommen immer mehr   den Aktionsplan gegen Armut im   sei „stark gestartet und als Zwerg
                sind soge-  Menschen  zu  Einrichtungen  wie   Saarland und die Einführung des   gelandet“. Vom Bürgergeld könne
                   nannte   der Wärmestube oder dem Kälte-  Sozialtickets im Öffentlichen Per-  man noch nicht mal ins  Theater
                juristische   bus.  Und  dass  die  Landesregie-  sonennahverkehr (ÖPNV).   gehen, das Bildungspaket für von
             Mitglieder (15)   rung die  WinterAktion Saarland                        Armut  betroffene  Kinder  bein-
                wie Wohl-  verlängert  hat,  zeigt  ja,  dass  sie   Wir brauchen ein deutliche   halte zwar den Beitrag zu einem
                fahrtsver-  die  Notwendigkeit  sieht.“  Im   Entbürokratisierung     Verein,  aber  nicht  das  Geld  für
                   bände,   Grunde seien die gesellschaftli-                          Dinge wie Fußballschuhe oder ein
              Institutionen   chen Verhältnisse  vergleichbar   „Im Grunde ging und geht es   Instrument. Vor allem aber fordert
              wie etwa die   mit denen, wie sie 1993 im Grün-  immer darum, dass die Menschen   er eine deutliche Entbürokratisie-
              Arbeitskam-   dungsjahr  der  SAK  gewesen   genug  Geld  zur  Verfügung  ge-  run.  Insbesondere,  wenn  es  da-
              mer und die   seien.  Das  Saarland  sei  in  einer   stellt bekommen, um menschen-  rum geht, Hilfsanträge stellen zu
             Gewerkschaf-  Industrie-Krise,  vielen  Menschen   würdig  leben  zu  können“,  sagt   müssen.  Und  an  der  fortschrei-
              ten, Parteien,   drohe  die  Arbeitslosigkeit,  was   Leinenbach. Und fügt hinzu: „Die   tenden Digitalisierung kritisiert er
                   soziale   wiederrum Armut zur Folge habe.     Menschen sind nicht arm, weil sie   scharf, dass man davon ausgehe,
              Organisatio-   Soziale  Initiativen,  Beratungs-  arm sein wollen. Es gibt ja Gründe   dass  alle  Menschen  in  Deutsch-
                  nen und   stellen, Arbeitslosenprojekte und   dafür  und  man  muss  dafür  sor-  land  einen  Computer,  Drucker
               engagierte   Wohlfahrtsverbände haben sich   gen, dass an den Gründen gear-  und  ein  Smartphone  besitzen.
              Einzelperso-  1993  zur  SAK  zusammenge-  beitet  wird.“  Dabei  habe  für  ihn   Leinenbach  betont:  „Wir  müssen
                 nen (23),   schlossen, um das Thema Armut   oberste Priorität, dass die soziale   den Menschen wieder in den Mit-
             darunter auch   zu bündeln und dem Thema eine   Teilhabe  gemäß  der  UN-Behin-  telpunkt rücken. Wir müssen weg
                von Armut   gemeinsame Stimme nach außen   dertenrechtskonvention gewähr-  von der Misstrauenskultur hin zu
                betroffene   zu geben, erzählt Leinenbach. Die   leistet  werde.  Das  bedeute  den   einer Vertrauenskultur. Von Armut
               Menschen,   ersten  zehn  Jahre  erfolgte  der   Abbau von Barrieren in allen Be-  betroffene Menschen müssen bei
             sowie Förder-  Einsatz  für von Armut  betroffene   reichen der Gesellschaft. Leinen-  uns  als  Bittsteller  auftreten.  Die
              mitglieder (7)   oder bedrohte Menschen als Fo-  bach: „Soziale Teilhabe bedeutet   Behindertenrechtskonvention
               organisiert.   rum, seit 2002 als eingetragener   unter anderem den Anspruch auf   dreht das um und sagt, der Staat
             Infos: https://  Verein. „Dabei ging es immer auch   ordentliches  Wohnen,  medizini-  hat die Aufgabe, dafür zu sorgen,
                 sakev02.  darum,  Betroffene  mitzunehmen   sche Versorgung, mit dem ÖPNV   dass  ich  soziale  Teilhabe  habe.
               wordpress.   und zu stärken, sich selbst zu ver-  von A nach B zu kommen und an   Das wäre der Umbau des Sozial-
                     com   treten“, sagt der gelernte Dipl. So-  gesellschaftlichen und kulturel-  staates. Ich würde es begrüßen.“


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