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den,   dass    unzureichende
        Angebote nicht dazu führen, dass
        die Erwerbstätigkeit  von Frauen
        ausgebremst wird.
          Langfristig gilt es das gesamte
        Erwerbspersonenpotential aus-   Foto: Adobe Stock/Qualitiy StockArts
        zuschöpfen, also eben auch das
        erhebliche Beschäftigungspoten-
        tial bei den Frauen, die meist gut
        gebildet und qualifiziert in das Er-
        werbsleben starten. Das Gleich-
        stellungziel einer besseren  Ar-
        beitsmarktintegration von Frauen   sion für die Gleichstellung zentral.   mationsprozess  wie als Strategie   Für die
        ist insofern ein Beitrag gegen den   Arbeitszeit ist schlicht ungleich   gegen den Fachkräftemangel zu   Gleichstel-
        Fachkräftemangel.  Die Analyse   verteilt und entspricht oft nicht   begreifen, ist aber gleichzeitig ein   lung ist eine
        aber zeigt, dass es in bestimmten   den Wünschen der Beschäftigten.   Wert an sich. Politisch wichtig ist,   grundlegende
        Gruppen noch starken Aufholbe-  Eine gelingende Gleichstellung   dass die Landesregierung ihren   Arbeitszeit-
        darf gibt (zum Beispiel Mütter und   führt  zwangsläufig  zu  einer  Um-  eingeschlagenen Weg hin zu einer   diskussion
        Migrantinnen).    Daher  sind  ver-  verteilung von  Sorge-Arbeitszeit   Landesgleichstellungsstrategie   zentral.
        stärkt die spezifischen Ausgangs-  zwischen den Geschlechtern. Da-  systematisch  und  unterstützt
        lagen und Fördermöglichkeiten   bei zeichnet sich ab, dass es ar-  durch einen breiten Beteiligungs-
        von  Müttern, Alleinerziehenden   beitszeitpolitisch nicht die eine Lö-  prozess voranbringt. Mit einer sol-
        und Migrantinnen ins  Visier zu   sung  für  alle  geben  sollte  (zum   chen Strategie, wie es sie im Bund
        nehmen und auszubauen.  Auch   Beispiel eine Vier-Tage Woche für   und  verschiedenen  Ländern
        ist es für Migrantinnen häufig be-  alle), sondern in Abhängigkeit von   schon gibt, wird Gleichstellung in
        sonders schwer, einen Kita-Platz   der Lebensphase Wahlarbeitszei-  allen  Handlungsfeldern  definier-
        zu erhalten, womit die berufliche   ten zu ermöglichen sind.  bar, mess- und überprüfbar und
        Integration für diese Mütter und   Insgesamt ist Gleichstellung so-  erlangt im Laufe der Zeit einen
        später für ihre Kinder erschwert   wohl zentrale Strategie  wie auch   noch höheren Stellenwert. Nur so
                                     Bestandteil  des Transformations-  können gezielte Gleichstellungs-
         Mädchen gehen auf dem       prozesses – letzteres weil ein ver-  strategien auf allen Ebenen kluge
         Weg nach oben verloren      stärkter Bedeutungsgewinn und   und innovative Antworten auf viele
                                     vermehrter Gestaltungsbedarf von   Herausforderungen des Struktur-
        wird. Hinzu kommt, dass allzu oft   Dienstleistungsarbeit bei gleich-  wandels liefern.
        Frauen nach einer Kinderbetreu-  zeitigem Fortbestehen des indust-
        ungsphase nicht  wieder  in  Voll-  riellen Kerns absehbar ist. Gleich-  Dr. Torsten Brandt leitet die
        zeitarbeit in den Arbeitsmarkt zu-  stellung ist als Chance im Transfor-  Abteilung Gesellschaftspolitik.
        rückkehren,  sondern  (nur)  in
        Teilzeit, und damit unter ihren
        Möglichkeiten bleiben. Mädchen
        wurden zwar zu Bildungsgewin-
        nerinnen, gehen aber mit ihren        AK-STANDPUNKTE ZUM TITELTHEMA
        Qualifikationen  auf  dem  Weg
        nach oben verloren.                   Maßnahmen, um mehr Gleichstellung zu erreichen
          Notwendig ist daher der Ausbau
        von Arbeitszeitmodellen, die mehr      Landesgleichstellungsstrategie mit klaren, auspersonalisierten Zu-
        Arbeitszeitsouveränität  ermögli-        ständigkeiten und konkreten Zielen in einem breiten Beteiligungs-
        chen, und  von familienfreundli-         prozess mit überprüfbaren Maßnahmen und Fristen entwickeln
        chen Arbeitszeitmodellen, die Ent-
        wicklungsmöglichkeiten und Kar-         Ausschöpfung des Erwerbs- und Qualifikationspotentials, insbeson-
        riereoptionen für Frauen vereinfa-       dere bei Teilzeitbeschäftigten, Müttern und Migrantinnen
        chen,  was  als  Beitrag  zur
        Fachkräftebindung  und  -findung        Aufwertung von Sorgeberufen in Rahmen einer aktiven Dienstleis-
        im Standortwettbewerb wichtig ist.       tungspolitik
        Auch müssen  vermehrt Minijobs          Verbesserung der Infrastruktur bei Betreuung von Kindern und
        und  Teilzeitarbeitsplätze in regu-      Pflegebedürftigen
        läre  Arbeitsplätze mit höherem
        Stundenvolumen  überführt wer-          Ausbau von Wahlarbeitszeiten
        den. Fast ein Drittel aller vollzeitbe-    Abbau von Fehlanreizen wie Ehegattensplittung und Minijobs
        schäftigten Frauen im Saarland
        erhält nur Niedriglöhne, auch dies      Sensibilisierungsmaßnahmen entlang der Bildungskette für ein
        bremst  ihre  Erwerbsneigung,            ausgewogeneres Verhältnis bei der Berufs- und Studienwahl
        wenn zugleich sozialpolitische
        Fehlanreize  wie das Ehegatten-         Abbau von prekärer und Niedriglohnbeschäftigung als Hemmschuh
        splitting bestehen. Zudem ist eine       der Erwerbstätigkeit von Frauen
        grundlegende Arbeitszeitdiskus-

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