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Titelthema
Nur mit Gleichstellung ist die
Transformation zu bewältigen
MODERNE ARBEITSWELT Zukunftsfragen mit Chancengleichheit beantworten
! Ministerpräsidentin Anke Wenn wir zunächst von den verän- problemen wie Altersarmut ist,
derten Rahmenbedingungen des
Rehlinger hat zu Jahresbeginn
sondern auch ein Beitrag für eine
Den vollstän- eine interministerielle Arbeits- Umbaus zu einer ökologischeren robustere Diversifizierung der
gruppe für eine saarländische
Wirtschaft bei abnehmendem, ex-
Wirtschaft und der Digitalisierung
digen Jahres- Gleichstellungsstrategie berufen. ausgehen, so ergibt sich eine radi- portorientiertem Industriesektor.
bericht 2023 Die Arbeitskammer fordert in kale Veränderung von Berufsbil- Das bedeutet zum Beispiel überall
finden ihrem aktuellen Jahresbericht, dern durch veränderte Rationali- dort, wo die öffentliche Hand Ar-
Interessierte Gleichstellung müsse eine sierungspotenziale sowie Tätig- beitgeber ist, Dienstleistungsbe-
unter www. zentrale Strategie im Struktur- keits- und Qualifikationsanforde- rufe angemessen zu entlohnen.
arbeitskam- wandel- und Transformationspro- rungen. Dabei gilt es zum einen, Oder zum Beispiel mit dem Instru-
mer.de/ zess sein, um Zukunftsfragen industrielle Arbeitsplätze, die oft ment der Wirtschaftsförderung
jahres- einer modernen Arbeitswelt zu mit guter Arbeit verbunden sind, gerade in privaten Dienstleis-
bericht beantworten. Warum dies und weiterzuentwickeln und zu erhal- tungsbranchen gute Arbeitsbe-
gibt es nicht wichtigere Themen? ten. Zugleich gewinnen auch we- dingungen zu honorieren. So soll-
gen der Alterung der Gesellschaft ten Kriterien wie das Vorhanden-
Von Torsten Brandt oftmals „frauenspezifische“ Bran- sein von Tarifverträgen, betriebli-
chen und Berufsfelder im Dienst- che Mitbestimmung,
Gleichstellungspolitik zielt auf die leistungssektor ihrem Beschäfti- Frauenförderpläne oder familien-
Umsetzung gleicher Verwirkli- gungsumfang nach an Bedeutung freundliche Arbeitszeitmodelle
chungschancen von Männern und (sozialversicherungspflichtig Be- besonders gefördert werden.
Frauen. Es geht dabei nicht nur da- schäftigte im Gesundheits- und Der demografische Wandel
rum Frauen zu unterstützen, son- führt nicht nur dazu, dass der An-
dern den Blick auf beide Ge- Dienstleistungsberufe teil der Erwerbsbevölkerung ab-
schlechter zu weiten und dafür zu angemessen entlohnen nimmt und Jüngere in Gleichklang
Vor allem sorgen, dass Chancen und Zu- mit dem weiter steigenden Fach-
Frauen ständigkeiten besser und gerech- Sozialwesen 2008-2022: plus kräftemangel zunehmend um-
arbeiten in ter verteilt werden. Gleichstellung 36,6 Prozent Verarbeitendes Ge- worben werden. Oftmals noch un-
sozialen ist also ein Wert an sich. Zugleich werbe: minus 10,2 Prozent). Leider terbelichtet ist, dass die Zahl der
Dienst- stehen alle zentralen Herausfor- sind gerade soziale Dienstlei- Pflegebedürftigen stark ansteigt.
leistungs- derungen des Saarlandes, näm- tungsberufe häufig unterbezahlt Diese werden bisher mehrheitlich
berufen, die lich die Gestaltung der Digitalisie- und mit schlechten Arbeitsbedin- zu Hause von ihren oftmals be-
häufig rung, des ökologischen Umbaus, gungen verbunden, obwohl ge- rufstätigen Angehörigen – zumeist
unterbezahlt des demografischen Wandels so- rade hier der Fachkräftemangel von Frauen – betreut. Da zukünftig
und mit wie veränderte Ansprüche der Be- stark zunimmt. Notwendig ist also eine stärkere Erwerbsbeteiligung
schlechten schäftigten an ihre Arbeit und an eine deutliche Aufwertung von von Frauen erwünscht ist, stellt
Arbeits- das Verhältnis von Arbeit und Le- Frauenbranchen und -berufen, sich die Frage, wie, von wem und
bedingungen ben, ganz wesentlich mit Gleich- was nicht nur ein Beitrag zur Re- unter welchen Bedingungen dies
verbunden stellungspolitik in Zusammen- duktion der Lohnungleichheit von zukünftig gestemmt werden soll.
sind. hang. Männern und Frauen mit Folge- Ein erster Schritt wäre es, Ver-
sorgungsprobleme in der häusli-
chen und ambulanten Pflege sys-
tematisch zu evaluieren, Stan-
dards etwa für Personalschlüssel
zu definieren. Und das wäre ein
wichtiger Beitrag, um die
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
zu verbessern. Im Rahmen einer
„strategischen Dienstleistungspo-
litik“ müssen unbezahlte Sorgetä-
tigkeiten (wie Kinderbetreuung
Foto: fAdobe Stock/TimeaPeter durch verbesserte Rahmenbedin-
und die Pflege von Angehörigen)
gungen institutionell aufgewertet
werden. Im Bereich der öffentli-
chen Daseinsvorsoge müssen An-
gebote und Qualität von Kinderbe-
treuung und Versorgung von Pfle-
gebedürftigen so gestaltet wer-
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