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Arbeitswelten
„Verantwortungsbewußtsein
ist das Wichtigste“
PORTRÄT Veronika Braun ist Fahrlehrerin
Von Katja Sponhoz (Text) und Pasquale D‘Angiolillo (Foto)
„Frau am Steuer - Ungeheuer!“ Über diesen Spruch det, stört sie dabei nicht. Dies sei ihr sogar lieb, weil sie
kann Veronika Braun aus Saarlouis wohl nur lächeln. sich ihre Zeit dadurch frei einteilen könne.
Schließlich kennt sie seit vielen Jahren das Klischee,
dass Frauen angeblich kein Auto fahren können. Und Bleibt nur die Frage, was es denn eigentlich braucht,
in ihrem Fall erntet sie sogar noch mehr skeptische Bli- um ein guter Fahrlehrer oder eine gute Fahrlehrerin zu
cke: dann nämlich, wenn sie auf dem Beifahrersitz sein. „An erster Stelle Verantwortungsbewusstsein“,
Platz genommen hat – in einem Fahrschulwagen! „Da sagt Veronika Braun. „Weil ich die Fahrschüler immer
wird man immer noch komisch beäugt, nach dem wieder heil nach Hause bringen muss.“ Auch Empathie
Motto: Kann eine Frau überhaupt anderen das Fahren stehe bei den Voraussetzungen für diesen Beruf ganz
beibringen!“ schildert die 57-Jährige lächelnd. Dass sie weit oben – und Kreativität. „Weil jeder meiner Fahr-
das kann, beweist sie als Fahrlehrerin seit schüler einmalig ist und ich mich individu-
über 30 Jahren. Dass sie sich überhaupt ell darauf einstellen muss, wie ich etwas
nach ihrer Ausbildung zur Tischlerin und Ich kann mich nicht rüberbringe.“ Und nicht zuletzt sei auch
der Arbeit in einem Küchenstudio und im ins Auto setzen und wertschätzendes Verhalten wichtig. „Ich
Baumarkt entschloss, ihren Beruf zu wech- spazieren fahren, kann die Schüler nicht herablassend be-
seln, ging auf die Anregung ihres damali- sondern ich möchte, handeln, ich muss sie als Persönlichkeit
gen Mannes zurück, der eine Fahrschule dass der Schüler, der nehmen.“
betrieb. Rund neun Monate dauerte sei- aussteigt, auch was
nerzeit ihre Fahrlehrer-Ausbildung und Angst hat sie übrigens nie – auch dann
umfasste damals auch noch, dass sie gelernt hat. nicht, wenn die Schüler zum ersten Mal
selbst einen Lkw- und einen Motorrad- hinter dem Lenkrad Platz nehmen. „Zur Not
Führerschein machen musste. habe ich ja auch noch Kupplung, Gas und
Bremse“, sagt sie lächelnd. Nur in den Prü-
Seit acht Jahren arbeitet sie in der Fahr- fungen gerät sie manchmal ins Schwitzen:
schule Mühlast mit Prüfungsgebiet Dillin- „Wenn die Schüler so dicht an anderen
gen und schult mit der Fahrlehrerlaubnis der Klasse Autos vorbeifahren, dann geht mein Puls hoch und ich
BE (Pkw und Pkw mit Anhänger) vor allem junge Men- leide mit“, gibt sie zu. Manchmal erkennt sie ihre
schen. Was eine besondere Freude, aber auch eine Schützlinge auch Jahre nach der Prüfung noch im
besondere Herausforderung darstellt. Denn einerseits Straßenverkehr. Ob sie dann automatisch kontrolliert,
bleibe sie durch ihre Kontakte „in“, auf der anderen ob derjenige an den richtigen Schulterblick gemacht
Seite sei die Arbeit schwieriger geworden: „Früher wa- hat? „Darauf achte ich nicht“, sagt die Lehrerin. „Aber
ren die Schüler selbstbewusster. Man musste sie nicht ich freue mich, wenn ich sie sehe. Immer!“
lange an die Hand nehmen und konnte sie früher ei-
genständig fahren lassen. Heute muss man reden, re-
den, reden – bis in die Prüfung rein.“ Die Generation,
die heute ihren Führerschein mache, sei viel unsiche- HINTERGRUND
rer, zweifle an sich und brauche viel Bestätigung. Doch
die 57-Jährige hat Verständnis für die jungen Leute: Fahrlehrer ist eine kostenpflichtige, berufliche
„Sie sind oft großem Druck ausgesetzt, durch die Weiterbildung. Dafür gibt es jedoch verschie-
Schule oder die Arbeit. Dann wollen sie auch ihre El- dene Fördermöglichkeiten. Die Weiterbildung
tern nicht enttäuschen und alles möglichst gut ma- dauert mindestens ein Jahr und besteht aus
chen.“ Oft ist Veronika Braun nach einigen Stunden einem theoretischen Unterricht und einem
nicht nur Fahrlehrerin, sondern auch Vertrauensper- praktischen Teil in einem Fahrausbildungsbe-
son. „Da rollen dann auch mal Tränen“, gibt sie zu. trieb. Voraussetzung für die Ausbildung zum
Fahrlehrer ist unter anderem neben einer
Doch auch Veronika Braun steht unter Druck: „Ich kann Fahrerlaubnis für die entsprechende Fahrzeug-
mich nicht ins Auto setzen und spazierenfahren, son- klasse eine abgeschlossene Berufsausbildung
dern ich möchte, dass der Schüler, der aussteigt, et- in einem anerkannten Ausbildungsberuf.
was gelernt hat.“ Die Zahl der benötigten Unterrichts- Laut azubiyo.de erhalten Fahrlehrer meistens
stunden ist im Laufe der Jahre jedoch deutlich gestie- kein festes Monatsgehalt, sondern die Bezah-
gen: „Da können schon mal Kosten im Durchschnitt lung richte sich nach der Anzahl der gegebe-
von 4.500 Euro entstehen.“ nen Fahrstunden. Nach Angaben der Bundes-
agentur für Arbeit liegt der mittlere Verdienst
Dass ein großer Teil des theoretischen und prakti- bei etwa 3.106 Euro brutto im Monat ks
schen Unterrichts nachmittags und abends stattfin-
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