Page 51 - AK-Konkret: 1 | 2024 | AK-SPEZIAL „Aktiv im Betrieb“

Aus der Praxis III
Ein großer Kampf für die finanzielle

Absicherung der Beschäftigten

SCHLIESSUNG BR von V & B Fließen verhalf vielen Beschäftigten zu guten neuen Jobs

Verhindern konnte der Be-
triebsrat die Schließung von
Villeroy & Boch Fliesen Merzig Uwe François
nicht. Aber er hat für die (Zweiter von
Beschäftigten einen sehr guten rechts) und
Sozialplan ausgehandelt. Dafür Markus Leuk
gab es bei der Kür der Saarlän- (Dritter von
dischen Mitbestimmungspreise rechts) vom
im vergangenen Herbst einen 3. Betriebsrat
Preis. Uwe François erzählt als von V & B
Vorsitzender des Betriebsrats, Foto: Pasquale D‘Angiolillo Fließen Merzig
wie sie das geschafft haben. bei der Ver-
leihung des
Von Silvia Buss Mitbestim-
mungspreises.
Sie hatten alles versucht, um
eine Schließung des Standorts rat dabei ein Gehalt von 90 Pro- um solche Forderungen erfolg-
abzuwenden. Selbst als die tür- zent des vorherigen Nettover- reich durchzusetzen: „Wir hatten
kische Eczacibaşi-Gruppe, die diensts ausgehandelt, damit drei Betriebsräte dabei, dazu ei-
V&B Fliesen Merzig 2007 mehr- zehn Prozent mehr als üblich, nen der besten Arbeitsrechtsan-
heitlich übernommen hatte, und das Recht, in der Transfer- wälte des Saarlandes und eine
2022 verkündete, sie wollten gesellschaft bis zu zwölf Monate externe Beraterin, die sich mit
den Standort schließen, die Pro- verweilen zu können. Dazu ge- Transferrecht auskennt wie
duktion in die Türkei verlagern hörte, was laut François auch sonst kaum jemand“. Hinzu ka-
und die Logistik nach Rhein- nicht selbstverständlich sei, eine men noch zwei erfahrene Ver-
land-Pfalz, da starteten die elf sogenannte Sprinterprämie. Sie treter der Gewerkschaft IG BCE.
Betriebsratsmitglieder des Un- bedeutet: Für jeden Monat Nicht zu unterschätzen ist laut
ternehmens noch einen nicht Transfergesellschaft, den man François auch die gewissenhafte
alltäglichen Versuch: Sie enga- nicht in Anspruch nimmt, gibt es Vor- und Nachbereitung jeder
gierten selbst eine Unterneh- zusätzlich jeweils 1.500 Euro Sitzung, die einem große Vor-
mensberatung, die mit viel Auf- teile verschaffen kann. Oftmals
wand ein Konzept für die Weiter- „Oftmals ging es heftig sei es „heftig zur Sache“ gegan-
führung des Betriebs vorlegte. zur Sache“ gen, da dauerten Sitzungen
Vergebliche Mühe. „Da haben schon mal zehn Stunden. Zwei-
wir gesagt, wir können jetzt nur brutto. Außerdem konnte der mal habe er gemahnt, „entwe-
noch in einem letzten großen Betriebsrat durchsetzen, dass der wir kommen jetzt zusam-
Kampf dafür sorgen, dass un- jeder, der nach einigen Wochen men, oder wir brechen das
sere Arbeitnehmer möglichst merkt, dass der neue Arbeitge- Ganze ab“. In dem Fall hätte die
schnell wieder einen Job finden ber „nicht passt“, und die zwölf Arbeitgeberseite jedoch das Ar-
und finanziell abgesichert wer- Monate in der Transfergesell- beitsgericht einschalten müs-
den“, erzählt Uwe François, der schaft noch nicht aufgebraucht sen, was sie viel Zeit gekostet
seit 45 Jahren bei V & B Fliesen hat, wieder in diese zurückkeh- hätte, also habe sie eingelenkt.
in Merzig und seit 2007 ren kann. Vieles davon musste Für die Beschäftigten hat sich
Betriebsratsvorsitzender ist. zäh erkämpft werden, sagt der der Kampf ihres Betriebsrats ge-
Was der Betriebsrat seitdem Betriebsratsvorsitzende. So lohnt. Schon Anfang 2023, also
„in ganz schwierigen Verhand- habe die Arbeitgeberseite etwa nach wenigen Monaten, sei der
lungen“ erreicht hat, kann sich für die Arbeitnehmer mit gerin- Großteil der Kollegen aus der
sehen lassen. „Als die Produk- ger Betriebszugehörigkeit nur Transfergesellschaft in gut be-
tion am 1. Oktober 2022 ge- drei Monate Transfer-Zeit ge- zahlten Vollzeitjobs, überwie-
schlossen wurde, sind 156 Kolle- währen wollen. Auch das Wei- gend im Saarland, „untergekom-
gen in die Transfergesellschaft terbildungsbudget, um einigen men“. Die übrigen in längerfristi-
gewechselt“, erzählt François. Mitarbeitern Sprachkurse oder gen Weiterqualifizierungsmaß-
Die übrigen arbeiten entweder Bus- und Lkw-Führerscheine zu nahmen, und sieben seien
noch in der Logistik oder gehö- finanzieren, war kein Geschenk. Existenzgründer geworden.
ren zur Verwaltung, die auch Man müsse ein gutes Verhand- „Fast alle arbeiten jetzt in Jobs,
künftig in Merzig bleibt. Für alle, lungsteam zusammenstellen, die mindestens gleich oder bes-
die in die Transfergesellschaft nennt François als eine der we- ser bezahlt sind“, sagt François
wechselten, hatte der Betriebs- sentlichen Voraussetzungen, zufrieden.

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