Page 17 - AK-Konkret: 6 | 2023 | AK-SPEZIAL „Leben und Freizeit“
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Betrieb + Gewerkschaft
IG Metall fordert DGB startet
schnelle Förderzusagen Kampagne für
mehr Tarifschutz
AKTION Tausende für die Stahlindustrie auf der Straße
GEGEN TARIFFLUCHT
Insgesamt rund 15.000 Menschen werden –. mit einem Gesamtpaket
sind am 19. Oktober dem Aufruf von 3,5 Milliarden Euro im Dillin- Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB )hat
der IG Metall gefolgt und für die ger- und im Saarstahlkonzern nun Anfang November in Berlin eine bundes-
Sicherung der 14.000 Arbeits- aktiv angehen werde. 60 Prozent weite Kampagne für mehr Tarifschutz gestar-
plätze in der saarländischen der Investitionskosten sollen aller- tet. Unter dem Motto „Eintreten für die Tarif-
Stahlindustrie auf die Straße ge- dings die EU und der Bund über- wende“ soll nicht nur über das Thema infor-
gangen. Beschäftigte der Stahlin- nehmen. Ein entsprechender För- miert, sondern auch der Druck auf Arbeitge-
dustrie, IG Metall und die Be- derantrag wurde eingereicht, um ber und Politik erhöht werden.
triebsräte der Stahlindustrie for- den Umbau auch finanziell stem-
derten gemeinsam mit dem Vor- men zu können. Da jedoch immer Auf insgesamt rund 130 Milliarden Euro be-
stand von Dillinger Hütte und noch kein Förderbescheid aus ziffert der DGB den Schaden, der durch Tarif-
Saarstahl die Politik auf, endlich Berlin und Brüssel eingetroffen ist, flucht und Lohndumping der Arbeitgeber
grünes Licht für die Transforma- können notwendige Beschlüsse in hierzulande entsteht. Sozialversicherungen
tion hin zu CO -freiem, grünen den Aufsichtsräten nicht gefällt und Fiskus entgingen Milliarden Euro, ebenso
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Stahl zu geben. werden. Damit sei das gesamte werde die Kaufkraft in erheblichem Ausmaß
Projekt bei Saarstahl und der Dil- geschmälert. Das belegten neue Berechnun-
Der Stahl-Aktionstag startete mor- linger Hütte gefährdet, sagte Des- gen des DGB auf Basis von Daten des Statis-
gens mit einer Kundgebung auf granges. tischen Bundesamtes, teilte der DGB mit.
dem Odilienplatz in Dillingen und Unterdessen teilte die IG Metall Wie der DGB Rheinland-Pfalz/Saarland,
endete nach Sternmärschen mit Völklingen mit, im Rahmen des Region Saar-Trier, mitteilte, summiert sich der
einer Kundgebung auf dem Hin- Gewerkschaftstages in Frankfurt Schaden, der durch Tarifflucht und Lohndum-
denburgplatz in Völklingen. Seit habe am 22. Oktober eine Ge- ping von Arbeitgebern im Saarland entsteht,
Monaten warte man bereits auf die sprächsrunde mit Wirtschaftsmi- bei den Sozialversicherungen auf jährlich 423
Zusage von Fördermittel aus Ber- nister Robert Habeck stattgefun- Millionen Euro sowie 252 Millionen Euro bei
lin und Brüssel für den notwendi- den und er habe der Delegation der Einkommensteuer. Und: Wer im Saarland
gen Umbau der Stahlindustrie an zugesagt, sich für die Beschleuni- nicht nach Tarif bezahlt wird, habe im Jahr –
der Saar, betonte Lars Desgran- gung des saarländischen Förder- betrachtet über alle Branchen und Berufe
ges, der erste Bevollmächtigte der antrags einzusetzen. Ob es aller- hinweg – durchschnittlich netto 2.923 Euro
IG Metall Geschäftsstelle Völklin- dings nach dem Urteil des Bun- weniger auf dem Lohnzettel als tarifgebun-
gen.. Ohne entsprechende Förder- desverfassungsgerichts, das der dene Beschäftigte. Insgesamt haben die Be-
zusagen werde es die Transforma- Nutzung der zur Bekämpfung der schäftigten im Saarland mit flächendecken-
tion hin zu einer grünen Stahler- Corona-Krise gedachten Gelder der Tarifbindung demnach rund 602 Millio-
zeugung im Saarland nicht geben. für den Klimaschutz eine Absage nen Euro mehr pro Jahr im Portemonnaie.
Und ohne diese Transformation erteilt hat, bei der Unterstützung „Heute profitiert in Deutschland nur noch
gebe es für die saarländische durch den Bund bleibt, war zum rund jeder und jede zweite Beschäftigte von
Stahlindustrie und die dort 14.000 Redaktionsschluss noch unklar. einem Tarifvertrag. Diese Entwicklung macht
Beschäftigten keine Zukunft. Im Berichten des Saarländischen uns große Sorgen. Tarifflucht geht jeden et-
Dezember 2022 hatte die saarlän- Rundfunks von Ende November was an. Mit Tarifverträgen gibt es nicht nur
dische Stahlindustrie (Stahl-Hol- zufolge ist Wirtschaftsminister Jür- höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und
ding-Saar SHS) bekannt gegeben, gen Barke zuversichtlich, dass die mehr Urlaub. Damit gestalten die Beschäftig-
dass man die Transformation - ab Bundesregierung ihre Förderzusa- ten auch ihre Arbeitsbedingungen aktiv mit“,
2027 schon soll die saarländische gen für den Umbau der saarländi- sagt Timo Ahr, der stellvertretende Vorsit-
Stahlproduktion von Kohle und schen Stahlindustrie zum grünen zende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland.
Koks auf Wasserstoff umgestellt Stahl einhalten wird. sh Mit der Kampagne werde man die Arbeitge-
ber an ihre soziale Verantwortung erinnern
und sich an die die Politik richten, die endlich
mehr tun müsse, um die Tarifbindung wieder
zu stärken.
Der DGB fordert, dass öffentliche Aufträge
und Fördergelder nur an Unternehmen ver-
Foto: Alexander Stallmann Auch für die Privatwirtschaft seien bessere
geben werden, die Tarifverträge anwenden.
Gesetze notwendig, um die Tarifbindung zu
stärken: Im Falle einer Auf- oder Abspaltung
eines Unternehmens sollten Tarifverträge bis
zu einer neuen Regelung fortgelten. Zudem
müsste es leichter werden, Tarifverträge für
Rund 5.000 Menschen waren bei der Kundgebung beim Stahl- alle Unternehmen einer Branche allgemein-
Aktionstag der IG Metall in Dillingen dabei verbindlich zu erklären. red
AK-Konkret 6|23 · 17