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Betrieb + Gewerkschaft
        IG Metall fordert                                                DGB startet


        schnelle Förderzusagen                                           Kampagne für
                                                                         mehr Tarifschutz
        AKTION  Tausende für die Stahlindustrie auf der Straße
                                                                         GEGEN TARIFFLUCHT
        Insgesamt rund 15.000 Menschen   werden –. mit einem Gesamtpaket
        sind  am  19.  Oktober  dem  Aufruf   von  3,5  Milliarden  Euro  im  Dillin-  Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB )hat
        der IG Metall gefolgt und für die   ger- und im Saarstahlkonzern nun   Anfang  November  in  Berlin  eine  bundes-
        Sicherung  der  14.000  Arbeits-  aktiv angehen werde. 60 Prozent   weite Kampagne für mehr Tarifschutz gestar-
        plätze  in  der  saarländischen   der Investitionskosten sollen aller-  tet. Unter dem Motto „Eintreten für die Tarif-
        Stahlindustrie  auf  die  Straße  ge-  dings die EU und der Bund über-  wende“ soll nicht nur über das Thema infor-
        gangen. Beschäftigte der Stahlin-  nehmen. Ein entsprechender För-  miert, sondern auch der Druck auf Arbeitge-
        dustrie,  IG  Metall  und  die  Be-  derantrag  wurde  eingereicht,  um   ber und Politik erhöht werden.
        triebsräte  der  Stahlindustrie  for-  den Umbau auch finanziell stem-
        derten gemeinsam mit dem Vor-  men zu können. Da jedoch immer    Auf insgesamt rund 130 Milliarden Euro be-
        stand  von  Dillinger  Hütte  und   noch  kein  Förderbescheid  aus   ziffert der DGB den Schaden, der durch Tarif-
        Saarstahl die Politik auf, endlich   Berlin und Brüssel eingetroffen ist,   flucht  und  Lohndumping  der  Arbeitgeber
        grünes  Licht  für  die  Transforma-  können notwendige Beschlüsse in   hierzulande  entsteht.  Sozialversicherungen
        tion  hin  zu  CO -freiem,  grünen   den  Aufsichtsräten nicht gefällt   und Fiskus entgingen Milliarden Euro, ebenso
                     ²
        Stahl zu geben.              werden.  Damit  sei  das  gesamte   werde die Kaufkraft in erheblichem Ausmaß
                                     Projekt bei Saarstahl und der Dil-  geschmälert. Das belegten neue Berechnun-
        Der Stahl-Aktionstag startete mor-  linger Hütte gefährdet, sagte Des-  gen des DGB auf Basis von Daten des Statis-
        gens mit einer Kundgebung auf   granges.                         tischen Bundesamtes, teilte der DGB mit.
        dem Odilienplatz in Dillingen und   Unterdessen teilte die IG Metall   Wie  der  DGB  Rheinland-Pfalz/Saarland,
        endete nach Sternmärschen mit   Völklingen  mit,  im  Rahmen  des   Region Saar-Trier, mitteilte, summiert sich der
        einer Kundgebung auf dem Hin-  Gewerkschaftstages  in  Frankfurt   Schaden, der durch Tarifflucht und Lohndum-
        denburgplatz  in  Völklingen.  Seit   habe  am  22.  Oktober  eine  Ge-  ping von Arbeitgebern im Saarland entsteht,
        Monaten warte man bereits auf die   sprächsrunde  mit  Wirtschaftsmi-  bei den Sozialversicherungen auf jährlich 423
        Zusage von Fördermittel aus Ber-  nister Robert Habeck stattgefun-  Millionen Euro sowie 252 Millionen Euro bei
        lin und Brüssel für den notwendi-  den und er habe der Delegation   der Einkommensteuer. Und: Wer im Saarland
        gen Umbau der Stahlindustrie an   zugesagt, sich für die Beschleuni-  nicht nach Tarif bezahlt wird, habe im Jahr –
        der  Saar,  betonte  Lars  Desgran-  gung  des  saarländischen  Förder-  betrachtet  über  alle  Branchen  und  Berufe
        ges, der erste Bevollmächtigte der   antrags  einzusetzen.  Ob  es  aller-  hinweg  –  durchschnittlich  netto  2.923  Euro
        IG  Metall  Geschäftsstelle  Völklin-  dings nach dem Urteil des Bun-  weniger auf dem Lohnzettel als tarifgebun-
        gen.. Ohne entsprechende Förder-  desverfassungsgerichts,  das  der   dene Beschäftigte. Insgesamt haben die Be-
        zusagen werde es die Transforma-  Nutzung der zur Bekämpfung der   schäftigten im Saarland mit flächendecken-
        tion  hin  zu  einer  grünen  Stahler-  Corona-Krise  gedachten  Gelder   der Tarifbindung  demnach  rund  602  Millio-
        zeugung im Saarland nicht geben.   für den Klimaschutz eine Absage   nen  Euro  mehr  pro  Jahr  im  Portemonnaie.
        Und ohne diese  Transformation   erteilt  hat,  bei  der  Unterstützung   „Heute  profitiert  in  Deutschland  nur  noch
        gebe  es  für  die  saarländische   durch  den  Bund  bleibt,  war  zum   rund jeder und jede zweite Beschäftigte von
        Stahlindustrie und die dort 14.000   Redaktionsschluss  noch  unklar.   einem Tarifvertrag. Diese Entwicklung macht
        Beschäftigten  keine  Zukunft.  Im   Berichten  des  Saarländischen  uns große Sorgen. Tarifflucht geht jeden et-
        Dezember 2022 hatte die saarlän-  Rundfunks  von  Ende  November   was  an.  Mit  Tarifverträgen  gibt  es  nicht  nur
        dische Stahlindustrie (Stahl-Hol-  zufolge ist Wirtschaftsminister Jür-  höhere  Löhne,  kürzere  Arbeitszeiten  und
        ding-Saar SHS) bekannt gegeben,   gen Barke zuversichtlich, dass die   mehr Urlaub. Damit gestalten die Beschäftig-
        dass man die Transformation - ab   Bundesregierung ihre Förderzusa-  ten auch ihre Arbeitsbedingungen aktiv mit“,
        2027 schon soll die saarländische   gen für den Umbau der saarländi-  sagt  Timo  Ahr,  der  stellvertretende  Vorsit-
        Stahlproduktion  von  Kohle  und   schen  Stahlindustrie  zum  grünen   zende  des  DGB  Rheinland-Pfalz/Saarland.
        Koks  auf  Wasserstoff  umgestellt   Stahl einhalten wird.    sh  Mit der Kampagne werde man die Arbeitge-
                                                                         ber an ihre soziale  Verantwortung erinnern
                                                                         und sich an die die Politik richten, die endlich
                                                                         mehr tun müsse, um die Tarifbindung wieder
                                                                         zu stärken.
                                                                           Der DGB fordert, dass öffentliche Aufträge
                                                                         und Fördergelder nur an Unternehmen ver-
                                                                Foto: Alexander Stallmann  Auch  für  die  Privatwirtschaft  seien  bessere
                                                                         geben werden,  die Tarifverträge  anwenden.
                                                                         Gesetze notwendig, um die Tarifbindung zu
                                                                         stärken: Im Falle einer Auf- oder Abspaltung
                                                                         eines Unternehmens sollten Tarifverträge bis
                                                                         zu einer neuen Regelung fortgelten. Zudem
                                                                         müsste es leichter werden, Tarifverträge für
        Rund  5.000  Menschen  waren  bei  der  Kundgebung  beim  Stahl-  alle Unternehmen einer Branche allgemein-
        Aktionstag der IG Metall in Dillingen dabei                      verbindlich zu erklären.         red

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