Page 7 - AK-Konkret: 5 | 2023 | AK-SPEZIAL „WEITERBILDUNG“
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Bereitstellungsmodellen für IT-
Systeme haben sich auch neue
Formen der Arbeit wie etwa hybri-
des Arbeiten (eine Kombination
aus agilem und linearem Arbeiten)
oder Desk Sharing (ein Modell zum
Teilen von Arbeitsplätzen innerhalb
einer Organisationseinheit) heraus-
kristallisiert und prägen zuneh-
mend die aktuelle Arbeitsland- Foto: Adobe Stock/Funtap
schaft. In Zeiten einer zunehmen-
den (globalen) Digitalisierung wer-
den die aktuellen Änderungen in
der Arbeitswelt auch unter dem
Begriff New Work zusammenge- etwa von Work-Life-Blending, Kol- neue Ausrichtung der Mitbestim- Um die Trans-
fasst. Das Betriebsrätemodernisie- laboration und Remote Work ge- mung muss lauten: Alle betriebli- formation
rungsgesetz stellt hier bestenfalls prägt sind. Diese New Work-Phä- chen und behördlichen Akteure bewältigen zu
einen ersten Schritt in die richtige nomene sind, solange sich unsere verbindlich und auf Augenhöhe können,
Richtung dar. Für viele Effekte, die Arbeit in Arbeitszeit ausgestaltet, einzubeziehen, Kompe- brauchen wir
das Arbeiten in neuen, digitalisier- unbestritten mitzubestimmen. tenzen zusammenzuführen und dringend eine
ten und hybriden Arbeitswelten Derzeit befinden sich vielerorts vorausschauend den Wandel zu Reform der
mit sich bringt, haben die aktuellen Mitbestimmungsorgane aber eher gestalten. Eine Beteiligung der Be- Mitbe-
Regelungen keine Antwort. Ge- in der Defensive und in der Nach- schäftigten beziehungsweise ihrer stimmung.
rade in sozialen und ökonomi- regelung gelebter Praxis. Interessenvertretungen auf Au-
schen Fragen wird Deutschland Eine übliche reine Information genhöhe schafft Akzeptanz für
seinen Standortvorteil verlieren, über anstehende transformie- Veränderung in der Transforma-
wenn die Mitbestimmung diese rende Änderungen, einseitige An- tion, nimmt Angst vor disruptiven
zentralen Fragen nicht aufgreift. ordnung von neuen Arbeitsstruk- Maßnahmen, verringert Fluktua-
turen und unredigierte Arbeitsan- tion und fördert Innovation, die sich
Mitbestimmung muss weisungen schüren bei allen Be- so zum nachhaltigen Wirtschafts-
vorausschauend sein teiligten Angst. Solange die faktor erweisen kann. Mitbestim-
alleinige Entscheidungsbefugnis mung wird nicht nur von der Trans-
Basis der Mitbestimmung ist die bei wenigen Akteuren liegt, deren formation tangiert, sie muss sie ini-
gesetzlich legitimierte verpflich- Fluktuation üblicherweise deutlich tiieren, gestalten und vor allem vo-
tende Zusammenarbeit der Unter- höher ist als beim Rest der Beleg- rantreiben.
nehmen und Behörden mit den schaft, führen Wandlungsprozesse
Interessenvertretungen bei „alther- nicht zwangsläufig zu Optimismus Dr. Oliver Müller ist Projektleiter
gebrachten“ kollektivrechtlichen und Zuversicht. Interessenvertre- RZzKI, Berater Bereich
Themen wie Arbeitszeitregelun- tungen könnten – ausgestattet mit Zukunftstechnologien, Tobias
gen, Arbeits- und Gesundheits- den entsprechenden Mitbestim- Szygula ist Projektleiter BMGAS,
schutz oder Regelungen zum mungsrechten – dies kompensie- Berater Bereich Transformation,
Schutz der Beschäftigten vor ren, zum Erfolgsfaktor werden und Thomas Hau ist Berater Bereiche
Überwachung beim IT-Einsatz. dazu beitragen, den Arbeitsmarkt Digitalisierung, IT-Systeme, Jessica
Doch das wird für die Gremienar- zu stabilisieren. Mitbestimmung Reckler ist Beraterin Bereiche
beit der Zukunft nicht ausreichen. muss und sollte nicht reaktiv sein, Qualifizierung, Arbeitszeit und
Unternehmerische Entscheidun- sondern vorausschauend. Die moderne Arbeitsmethoden
gen sind oftmals kapitalorientiert,
sicherheitsbedürftig und auf kurz-
fristige ökonomische Effekte ange-
legt. Daher brauchen Interessen- AK-STANDPUNKTE ZUM TITELTHEMA
vertretungen mehr Mitbestim-
mung in wirtschaftlichen Angele- Die Transformation durch Mitbestimmung gestalten
genheiten, um die Transforma- Mitbestimmung muss die zentralen Fragen der neuen Arbeitswelten
tionsprozesse gerecht und nach-
haltig gestalten zu können. aufgreifen und den Interessenvertretungen ermöglichen, auf Augen-
Alle betrieblich und behördlich höhe mit dem Arbeitgeber zu verhandeln. Sie muss ermöglichen,
Beteiligten sollten sich bereits im Kompetenzen zusammenzuführen und vorausschauend den Wandel
Stadium einer strategischen Krise zu gestalten.
auf den Weg begeben, Verände- Bei den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder
rungen vorzubereiten, und nicht an sowie die Mitarbeitervertretungsordnungen besteht dringender
alten Mustern festhalten, obwohl
diese für den Moment doch noch Handlungsbedarf, damit auch in Zukunft die Rechte von Beschäftigten
sehr gut zu funktionieren scheinen. gewahrt werden können.
Der krisenbedingte Digitalisie- Interessenvertretungen müssen mehr in wirtschaftliche und strategi-
rungsschub förderte bereits neue sche Fragen eingebunden werden.
geänderte Arbeitsstrukturen, die
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