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Titelthema




















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           Zu großen Teilen hausgemacht




         DENKANSTOSS  Für AK-Referentin Dagmar Ertl ist der Fachkräftemangel teils selbst verschuldet


               rbeitgeber beklagen sich, kein geeig-           Millionen Menschen ausschließlich in Minijobs
               netes Personal zu finden. In der Pflege, in     und über zehn Millionen in Teilzeit – überwie-
               der Gastronomie, im Handwerk, überall           gend Frauen. Viele davon würden gerne länger
        Afehlen Fachkräfte. Der Fachkräftemangel               arbeiten. Das Ehegattensplitting und die jüngste
        droht zu einer Wachstumsbremse zu werden,              Anhebung der Verdienstgrenze, die Minijobs
        befürchtet die Politik. Doch woran liegt das? Wo       attraktiver macht, wirken da allerdings kontrapro-
        sind die Arbeitskräfte? Die einfache Antwort           duktiv. Beispiel berufliche Bildung: Zu viele
        lautet: Sie sind anderswo! Beispiel Pflege:            Jugendliche finden keinen Ausbildungsplatz und
        860.000 Fachkräfte sind laut einer Studie, an der      werden im Überganssystem geparkt. Trotz des
        auch die Arbeitskammer beteiligt war, aus der          enormen Wandels der Arbeitswelt müssen viele
        Pflege ausgestiegen. 60 Prozent wären bereit           Arbeitnehmer ihre erforderliche Um- oder
        wieder in diesem Bereich zu arbeiten, andere           Weiterqualifizierung selbst stemmen. Die
        würden ihre Arbeitszeit aufstocken, wenn sich die      geplante Bildungszeit wurde von Finanzminister
        Arbeitsbedingungen und die Löhne verbes-               Christian Lindner (FDP) als zu kostspielig auf
        serten. Insgesamt wären das mindestens                 später verschoben. Fazit: Der Arbeitskräfte-
        300.000 Vollzeitkräfte. Jahrelang haben                mangel ist in vielen Betrieben und politisch vor
        Betriebe und Verwaltungen die Personaldecke            allem selbst verschuldet!
        ausgedünnt und fehlendes Personal nicht ersetzt.
        Sie haben Überstunden angeordnet sowie                 Zu viele
        Schicht- und Urlaubspläne kurzfristig umge-            Jugendliche
        schmissen. Lücken wurden, wenn überhaupt, mit          finden keinen
        Leiharbeit oder befristeten Beschäftigten gefüllt.     Ausbildungs-
        Es wurde zu wenig in Aus- und Weiterbildung            platz und
        investiert. Kein Wunder, wenn Fachkräfte ihre          werden im                     Dagmar Ertl
        Chancen anderswo ergreifen. Nach wie vor gibt          Übergangssys-                 ist Referentin für
        es große Potenziale für den Arbeitsmarkt, die          tem geparkt.                  Arbeitsmarkt- und
        nicht genutzt werden: Bundesweit arbeiten 4,3                                        Armutspolitik.


                                                                                       AK-Konkret  3|23   ·  5
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