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Arbeitswelten
                            „Ohne Leidenschaft



                                     geht es nicht“




                     PORTRÄT  Marc-Jonas Benecke ist Buchhändler aus Überzeugung

                                  Von Katja Sponholz (Text) und Pasquale D‘Angiolillo (Foto)
        So manche haben wohl eine falsche Vorstellung von       wird nie langweilig! Weil jeder Kunde anders ist, und
        seinem Beruf, meint Marc-Jonas Benecke lächelnd:        weil jede Anfrage anders ist.“ Und dann erzählt er von
        „Die denken, wir sitzen den ganzen Tag gemütlich zu-    jenem Mann, der ein Fachbuch bestellte und ihm er-
        sammen, trinken Tee und lesen dabei. Als ob das eher    läuterte, wie er selbst eine Wärmepumpe baut. Oder
        eine Freizeitbeschäftigung ist!“ Doch in  Wahrheit sei   von dem Kunden, der zwar ein Garten-Handbuch
        dafür gar keine Zeit. Zwar liest man als Buchhändlerin   lobte, aber selbst  viel bessere  Tipps fürs Rosen-
        und Buchhändler tatsächlich viel und jeden Tag – das    Schneiden hatte.
        jedoch vor allem zuhause. Denn im täglichen Betrieb
        ist man ständig im Kontakt mit den Kunden, kümmert      Genau hinhören und spüren, was die Leserinnen und
        sich um Lagerhaltung und Bestellungen, organisiert      Leser wirklich brauchen: Auch das ist eine Eigenschaft,
        Lesungen und hat ständig auch im Blick,                          die Buchhändler haben sollten. Neben der
        dass es sich bei einem Buchladen um ei-   Es ist auch eine       Grundvoraussetzung, dass man natürlich
        nen Wirtschaftsbetrieb handelt, der funkti-  Begegnungsstätte.   gerne  und  viel  liest,  dass  man  offen  und
        onieren muss.                                                    freundlich ist und vor allem keine Scheu vor
                                                  Hier treffen sich      Menschen hat. „Wenn jemand kommt und
        Und doch ist eine Buchhandlung – so wie   wildfremde Leute,      sagt, er will einen Reiseführer über Portu-
        das  Traditionshaus Raueiser in Saarbrü-  hier tauschen sie sich   gal, dann frage ich erst einmal genauer
        cken, in dem Benecke arbeitet – mehr als        aus.             nach“, erzählt Marc-Jonas Benecke. „Denn
        ein übliches Geschäft: „Es ist auch eine Be-                     wenn dann herauskommt, dass er jeman-
        gegnungsstätte.  Hier  treffen  sich  wild-                      dem vor einer Reise ein Geschenk machen
        fremde Leute, hier tauschen sie sich aus,                        will, kann ein guter Krimi aus Portugal oder
        hier entspinnen sich Geschichten“, sagt der                      ein besonderes Kochbuch eine viel bessere
        35-Jährige.  Das  begeistert  ihn  bis  heute                    Alternative sein!“
        und an jedem  Tag  wieder. So  wie das
        Schmökern selbst. „Lesen kann so vieles sein: Es kann   Gerade diese Beratung ist es, die einen Buchhandel
        einem Wissen vermitteln, es kann die Möglichkeit zum    ausmacht,  ist  der  35-Jährige  überzeugt.  Deshalb
        Abschalten geben, wenn man nicht stupide fernsehen      glaubt er auch trotz Konkurrenz durch den Online-
        will, oder es kann einem einfach eine schöne Ge-        Handel fest an die Zukunft seines Berufes. Wer ihn er-
        schichte bieten.“                                       greifen will, sollte jedoch das Prinzip „ganz oder gar
                                                                nicht“ beherzigen: „Denen, die nur halb bei der Sache
        Beneckes Weg in den Buchladen war zunächst jedoch       sind, würde ich davon abraten“, sagt der Buchhändler.
        ein bisschen verschlungen. Zwar las er schon als Kind   Denn eines sei ganz wichtig: „Leidenschaft – ohne die
        gerne und wollte sein Hobby zum Beruf machen, dann      geht es nicht.“ Was sein absolutes Lieblingsbuch ist,
        jedoch erhielt er leider die falsche Information, dass   kann Benecke jedoch nicht sagen. „Aber ich könnte auf
        darin gar nicht mehr ausgebildet werde. Als 17-Jähriger   Anhieb zehn Autoren nennen, die ich mag!“
        nahm er dies so hin und begann alternativ ein Studium
        für  Angewandte Bio-, Pharma- und Medizinwissen-
        schaften. Als er einige Semester später zufällig erfuhr,
        dass Buchhändler jedoch durchaus noch ein Ausbil-
        dungsberuf ist, zog er die Konsequenzen: Er schmiss           HINTERGRUND
        die Uni und begann endlich mit seiner Traumausbil-
        dung.                                                           Schulische Voraussetzung für die  Aus-
                                                                         bildung ist mindestens eine sehr gute
        Parallel zur Lehre bei Thalia in Zweibrücken besuchte            mittlere Reife.
        er die Buchhändler-Schule in Frankfurt. Mit 22 Jahren
        war er da längst nicht der  Älteste. „Es heißt immer:           Die Ausbildung dauert regulär drei Jahre,
        Buchhändler ist der akademischste Nicht-Akademi-                 bei sehr guten Berufsschulnoten kann sie
        ker-Beruf, den es gibt. Da gibt es ganz viel Leute, die          auf 2,5 Jahre oder sogar 2 Jahre verkürzt
        noch einige Schleifen ziehen!“ Nach der  Ausbildung              werden.
        entwickelte er sich immer weiter nach vorne: Erst ar-
        beitete er als Fachbuchhändler, dann bei Pieper in              Im Saarland gibt es keine staatliche
        Saarlouis, bevor er vor zweieinhalb Jahren schließlich           Fachklasse für Buchhändler, deshalb
        das Angebot von Kurt Hoffmann annahm und in das                  findet der Berufsschulunterricht meist im
        Geschäft am St. Johanner Markt in Saarbrücken wech-              Blockunterricht am mediacampus in
        selte. Was er hier besonders an seinem Job liebt? „Es            Frankfurt statt.                  ks

                                                                                       AK-Konkret 3|23  ·  29
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