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Arbeit + Gesundheit
Beschäftigte gehen Zur Offenheit nur
oft krank zur Arbeit in wenigen Fällen
STUDIE In vielen Fällen fehlt eine Vertretung verpflichtet
CHRONISCHE KRANKHEIT
Arbeiten, obwohl man sich krank sich weniger Beschäftigte krank:
fühlt, ist für viele Menschen keine Knapp die Hälfte der Befragten (46 Die eigene Gesundheit ist etwas höchst Per-
Ausnahme, wie eine Studie der Prozent) geben an, dass es im Ho- sönliches, aus gutem Grund gilt für Ärzte die
Techniker Krankenkasse (TK) in meoffice häufiger vorkommt, dass Schweigepflicht und steht auf der Krank-
Zusammenarbeit mit dem Institut sie arbeiten, obwohl sie sich krank schreibung für den Arbeitgeber keine Diag-
für Betriebliche Gesundheitsbera- fühlen. Die Beweggründe dafür nose. Menschen mit einer chronischen Er-
tung (IFBG) zeigt. Demnach blei- liegen auch in fehlenden Vertre- krankung stehen trotzdem oft vor der Frage:
ben nur knapp 17 Prozent von rund tungsregeln im Job: Immerhin 44 Muss ich meiner Chefin, meinem Teamleiter,
1.200 befragten Beschäftigten bei Prozent stimmten überwiegend meinen Kollegen offenbaren, dass ich nicht
Krankheit immer zuhause und ku- oder voll der Aussage zu, krank zu gesund bin? Zur Offenheit verpflichtet sind
rieren sich aus. 27 Prozent arbeiten arbeiten, weil es keine Vertretung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur in
trotz Krankheit häufig oder sehr für sie gebe. Über ein Drittel (39 ganz wenigen Fällen. „Über eine chronische
häufig. 58 Prozent zeigen der Prozent) will Kollegen nicht zur Erkrankung informieren müssen sie nur, wenn
nicht-repräsentativen Studie zu- Last fallen. Bei 40 Prozent spielen dadurch die Eignung für die Tätigkeit massiv
folge zumindest manchmal soge- dringende Arbeiten oder Termine beeinträchtigt wird und sich die Auswirkun-
nanntes Präsentismusverhalten, eine Rolle. Fast ebenso viele (39 gen nicht durch den Einsatz von Hilfsmitteln
arbeiten also trotz Krankheitssym- Prozent) geben an, arbeiten zu beheben lassen“, sagt Nathalie Oberthür,
ptomen weiter. Kann man auch können, weil ihre Erkrankung nicht Fachanwältin für Arbeitsrecht. Denkbar etwa
von zu Hause arbeiten, melden ansteckend sei. tmn im Fall eines Dachdeckers, der an Epilepsie
erkrankt. Auch im Vorstellungsgespräch sind
Verfügbare Urlaubstage keine allgemeinen Fragen nach der Gesund-
heit erlaubt. Werden sie doch gestellt, dürfe
geschwiegen und auch gelogen werden.
reichen vielen nicht aus Und bei einer Einstellungsuntersuchung
dürfe es nur darum gehen, die Eignung für die
konkrete Tätigkeit festzustellen. Für einen
UMFRAGE Mehrheit möchte mehr Jahresurlaub Schreibtisch-Job im Büro ist eine Herz-Kreis-
lauf-Erkrankung nicht relevant, und die Frage
Geht es um Urlaubstage, können nommen. Als Grund gaben die danach deshalb auch nicht zulässig. tmn
Beschäftigte gar nicht genug ha- Personen zum Beispiel an, dass
ben. So findet die Mehrheit der zu viel Arbeit anlag oder dass die
Arbeitnehmerinnen und Arbeit- bevorzugten Urlaubszeiträume
nehmer (78 Prozent), dass Arbeit- nicht zur Verfügung standen. Ruhig das Auto
geber mehr Jahresurlaub anbie- Außerdem fällt es vielen nicht
ten sollten. Das ist das Ergebnis leicht, im Urlaub wirklich abzu- etwas weiter
einer Umfrage, die das Marktfor- schalten. Rund ein Drittel der Be-
schungsinstitut OnePoll im Auf- fragten (30 Prozent) hat der Um- abstellen
trag der Arbeitsbewertungsplatt- frage zufolge im Urlaub an die
form Glassdoor unter 1.000 Voll- Arbeit gedacht. Ein großer Teil PENDLER
zeitbeschäftigten durchgeführt der Beschäftigten (38 Prozent)
hat. Dabei hat knapp ein Drittel braucht mindestens fünf aufein- Wer täglich mit dem Auto zur Arbeit und zu-
der Befragten (30 Prozent) im anderfolgende Urlaubstage, um rück nach Hause pendelt, kann sein Fahrzeug
vergangenen Jahr nicht einmal den Kopf komplett von Arbeit ruhig etwas weiter weg von der Wohnung
den gesamten Jahresurlaub ge- freizukriegen. tmn parken. Dazu rät der Psychologe Dennis Dal
Mas vom Tüv Nord. So läuft man etwas an der
frischen Luft und kann vom Arbeits- und Pen-
delstress abschalten, ehe man die Tür auf-
schließt. Es sei auch nicht gut, wenn man den
ganzen Tag erst im Auto, dann im Büro, dann
wieder im Auto sitzt und zwischendurch kaum
Bewegung hat. „Das ist für den Körper sehr
Foto: Adobe Stock/Marco perlich nicht gut drauf sei, fördere das auch
schädlich“, sagt Dal Mas. Und wenn man kör-
mentale Probleme. Klar, wer einen Stellplatz
vor der Tür hat, wird sein Auto kaum woanders
abstellen. Aber wer die Muße hat, geht da-
nach noch eine Runde – idealerweise ein
bisschen durchs Grüne. Dal Mas: „Das hebt bei
Viele Beschäftigte wünschen sich mehr Urlaubstage. vielen auch die Stimmung.“ tmn
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