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Titelthema zur Krise
        Zufallsgewinne können einen


        Energiepreisdeckel finanzieren



        INFLATIONSBEKÄMPFUNG Eine Zufallsgewinnabgabe ist ökonomisch sinnvoll

        Die stark gestiegenen Energie-  den müssen. Andererseits entste-  gnale auf dem Energiemarkt sind
        preise haben eine europäische   hen die enormen Zufallsgewinne   durch  Oligopolstrukturen  und
        Einigung zur Zufallsgewinnbe-  bei Ölmultis und Stromriesen auch   Netzbindung verfälscht. Kurz ge-
        steuerung für Energiekonzerne   durch die spezifischen Marktstruk-  sagt,  die  Anbieter  können  auf-
        vorangebracht. Gesamtwirt-    turen, auf denen diese Konzerne   grund ihrer marktbeherrschenden
        schaftlich stellt sich die Bestim-  agieren. Einen Markt, auf dem we-  Stellung die Preise bestimmen
        mung von Zufallsgewinnen oft   nige Anbieter  und  viele  Nachfra-  und so aus der objektiven  Ver-
        als schwierig dar. Wegen der   ger auftauchen, bezeichnet man   knappung der Energiegüter über-
        oligopolistischen Strukturen im   als Angebotsoligopol.  Kennzei-  mäßig hohe Gewinne erzielen.
        Energiesektor sollten die dort   chen dieser  Marktform ist die   Diesen „Zufallsgewinnen“  ste-
        derzeit offensichtlichen über-  Marktmacht der einzelnen Anbie-  hen keinerlei unternehmerische
        durchschnittlichen Gewinne    ter. Deren Preis- und Mengenent-  Aktivität oder gar Investitionen in
        abgeschöpft werden. Sie können   scheidungen  beeinflussen  die   erneuerbare Energien gegen-
        zur Finanzierung des von der   Höhe  des  Angebots  auf  dem   über. Nach Einschätzung  vieler
        Bundesregierung einzuführen-  Markt,  wie  auch  den  auf  dem   Ökonomen ist deshalb eine  Ab-
        den umfassenden Energiepreis-  Markt herrschenden  Preis. In  der   gabe auf diese durchaus sinnvoll.
        deckels eingesetzt werden.    Mineralölwirtschaft in Europa sind   Inzwischen hat der EU-Klimami-
                                      es die „Großen Fünf“ BP/Aral, Esso   nisterrat eine Zufallsgewinnab-
        Von Patricia Bauer            (Exxon), Jet (ConocoPhillips), Shell   schöpfung  beschlossen.  Dabei
                                                                   gilt eine Erlösobergrenze von 180
        Laut der Wirtschaftszeitschrift Ca-  Großkonzerne können    Euro je MWh. Die weitere Ausge-
        pital hat der Ölkonzern Saudi   die Preise bestimmen       staltung liegt in den Händen der
        Aramco seinen Gewinn im ersten                             Mitgliedstaaten. Hier sollte in
        Quartal 2022 um mehr als 80 Pro-  und Total,  die  den  Markt  beherr-  Deutschland darauf geachtet
        zent gegenüber dem Vorjahr ge-  schen. Bei der Stromerzeugung in   werden, dass der Gewinn eines
        steigert. Die als „Big Oil“ bekann-  Deutschland  werden 70 Prozent   Konzerns am Unternehmenssitz
        ten  größten  westlichen  Ölkon-  des konventionellen Stromes von   besteuert  wird, also nicht unbe-
        zerne verdoppelten derweil ihren   Uniper,  RWE,  EnBW,  LEAG  und   dingt  in  Deutschland.  Es  könnte
        Gewinn auf zusammen 30 Milliar-  Vattenfall erzeugt.  Auf beiden   deshalb sinnvoll sein, eine nicht
        den Euro in nur drei Monaten. Das   Märkten können also große Kon-  umgehbare Umsatzabgabe ein-  In Deutsch-
        bedeutet eine gewaltige Umver-  zerne preissetzend agieren.  zuführen.  Eine  effektive  Zufalls-  land werden
        teilung von  Energiekonsumenten   Schließlich sind Strom wie auch   umsatzabgabe im Energiesektor   70 Prozent
        hin zu den den Energiemarkt be-  Gas netzgebundene Güter, die   kann als Finanzquelle für den zur   des konvent-
        herrschenden Konzernen. Diese   aufgrund der hohen Investitions-  Inflationsbekämpfung  notwendi-  ionellen
        Umverteilung ist nicht nur aus Ge-  kosten für die Netzinfrastruktur   gen Energiepreisdeckel dienen   Stroms von
        rechtigkeitsgründen  problema-  ohnehin  den  Preissetzungen  und so die Umverteilung zuguns-  fünf großen
        tisch. Volkswirtschaftlich  heizen   durch die netzbeherrschenden   ten  der Energieriesen ein Stück   Konzernen
        die steigenden Preise die Inflation   Konzerne unterliegen. Die Preissi-  weit korrigieren.  erzeugt.
        an, die Konsumenten haben weni-
        ger Geld,  was die Binnennach-
        frage senkt. Auch Handwerks- und
        Industriebetriebe  drohen wegen
        der hohen Energiepreise pleite zu
        gehen. Gleichzeitig nutzen die
        Energiekonzerne ihre Zufallsge-
        winne für höhere Dividendenaus-
        schüttungen und den preistrei-
        benden Aufkauf eigener Aktien.
          Die gestiegenen Preise sind ei-
        nerseits  Ausdruck  der Verknap-
        pung von bisher reichlich vorhan-
        denen Energiegütern: Das russi-
        sche Gas und Öl fällt weg. Damit                                                                    Foto: Adobe Stock/ marcus_hofmann
        entfallen günstige Energiequellen
        für  den  Transport,  die  Wärmeer-
        zeugung und die Produktion von
        Gütern, die durch teurere Einkäufe,
        etwa von Flüssiggas, ersetzt wer-

                                                                                        AK-Konkret 5|22  ·  21
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