Page 52 - AK-Konkret: 3 | 2024 | AK-SPEZIAL „LEBEN + FREIZEIT“
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Leben + Freizeit
Als
Sozialpäda-
gogin hat sich
Tine Meister
ihr ganzes
Berufsleben
lang um
„schwere
Jungs“ ge-
kümmert,
daneben gilt
ihre große
Leidenschaft
der Herstel-
lung von
feingliedri- Foto: Iris Maurer
gem
Schmuck.
Ihre Leidenschaft gilt dem Schmuck
SAARLÄNDISCHE TYPEN Die Dudweilerin Tine Meister häkelt Perlenketten
Von Silvia Buss gehäkelt sind. Aus feinem silbernen oder auch goldfarbe-
nem Edelstahldraht. „Die Idee mit dem Häkeln kam mir, als
Außer zum Sport geht Tine Meister nie ohne aus dem Haus: ich Ketten mit Perlen machen wollte, die so lang sind, dass
ohne Ohringe. „Sie dürfen auch ruhig ein bisschen größer man sie sich mehrfach umschlingen kann, die aber trotz-
sein“, sagt sie. Die Frau hat es gut: Wenn ihr zum Pullover dem nicht so schwer sein sollten“, erklärt die Schmuckma-
oder Schal noch der passende Ohrbehang fehlt, macht sie cherin. Heute ist der Häkel-Look so etwas wie ihr Marken-
ihn selbst. Denn Schmuck herzustellen, das ist die große zeichen geworden. An einer Häkelkette sitze sie viele Stun-
Leidenschaft der Dudweilerin. „Eigentlich schon immer, ich den, sagt Tine Meister. Für die Hände sei das ganz schön
habe schon mit 16 auf dem Flohmarkt selbstgemachte Fe- anstrengend, denn der Edelstahldraht, der härter und so-
derrohringe verkauft“, erzählt Tine Meister. Beruflich hat sie mit stabiler sei als Silberdraht, schneide schnell in die Fin-
aber einen anderen Weg eingeschlagen. Auf eine Ausbil- ger. Aber das Häkeln habe auch etwas Meditatives. „Das
dung, in der sie lernte, orthopädische Maßschuhe anzufer- kann ich sogar mal abends nebenbei beim Fernsehen ma-
tigen, folgte gleich ein Studium der Sozialpädagogik und chen“.
Sozialen Arbeit, wonach sie sich für eine nicht gerade
leichte Tätigkeit entschied. Der Saarbrücker Verein „Chance“ Tine Meister lächelt. Wie viele Ketten sie in ihrem Leben
betreut und begleitet straffällig gewordene Jugendliche schon kreiiert hat, das kann sie nicht genau sagen. Das
pädagogisch, um ihnen bessere Perspektiven zu eröffnen. ganze „Geschmeide“ behält die Schmuckbegeisterte na-
türlich nicht für sich. Auch auf Flohmärkten verkauft sie seit
Die kreative Beschäftigung, vor allem mit Schmuck, hat ihrer Jugend. Vor nunmehr 40 Jahren, zu jener Zeit als die
Tine Meister jedoch nie aufgegeben, sondern immer wei- Frauenbewegung noch vieles ausprobierte und viele Pro-
ter entwickelt. Sie besuchte etwa an der Volkshochschule jekte gründete, hat sich auch Tine Meister einem frisch ge-
Kurse in Tiffany-Technik, in denen sie gründetem Projekt von Frauen für Frauen an-
lernte, wie man Glasstücke mit Kupferfolie „Uns war es wichtig geschlossen: Die Werkstube. „Wir waren um
zusammenlöten kann. „Erst habe ich mit geworden, dass wir für die 20 Frauen, die alle für sich allein irgend
dieser Technik eine Zeit lang Glasbilder unsere schönen Dinge etwas Kreatives machten, aber die Ergeb-
gemacht, dann habe ich gemerkt, dass auch Abnehmerinnen nisse nicht öffentlich zeigen konnten“, erzählt
man damit auch sehr gut Edelsteine, Berg- finden“ Tine Meister. Gemeinsam mieteten sie als
kristall oder Ammoniten, Versteinerungen, Verein damals einen kleinen Laden in der
einfassen kann“, erinnert sich Tine Meister. Saarbrücker Gerberstraße, stellten ihre Sei-
Steine mit besonders ausgefallenen For- denmalerei, Näharbeiten, Batik, Schmuck
men oder Oberflächen fasst sie noch oder auch Töpfereien aus und gaben ihre Er-
heute zu Anhängern, die man an einem schmalen Reif um fahrungen mit den Techniken an Interessierte weiter. Ein
den Hals hängen kann. Ansonsten aber experimentiert Teil der Gruppe wechselte zehn Jahre später in die Cecili-
Tine Meister schon lange lieber mit Ketten, die aus vielen enstraße und gründete dort das „Unikat“. „Uns war es wich-
Perlen aus Schmucksteinen aller Art bestehen. Es sind tiger geworden, dass wir für unsere schönen Dinge auch
Steine wie Achat, Karneol, Citrin, Amethyste, Labradorit, Abnehmerinnen finden“, sagt Tine Meister, die sich dann
auch Koralle oder Süßwasserperlen, die sie vor allem in neben ihrem Hauptberuf auf einmal noch um Dinge wie
Idar-Oberstein, dem nahegelegenen Edelsteinparadies, Buchhaltung kümmerte. „Alles, was mit Unikat zu tun hat,
beschafft. So manche Fundstücke stöbert sie aber auch war für mich aber ein wohltuender Ausgleich zum Job“, sagt
beim Spazierengehen auf und im Urlaub. Erst bei näherer sie. Seit Ende vorigen Jahres ist die kreative 63-Jährige im
Betrachtung erkennt man, dass viele der Perlen-Ketten Ruhestand. Nun kann sie sich voll ihrer Schmuckleiden-
nicht aus den üblichen Kettengliedern bestehen, sondern schaft hingeben.
IV · AK-Konkret Spezial 3|24