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Leben + Freizeit
           Als
    Sozialpäda-
   gogin hat sich
    Tine Meister
      ihr ganzes
    Berufsleben
       lang um
      „schwere
     Jungs“ ge-
      kümmert,
    daneben gilt
      ihre große
   Leidenschaft
    der Herstel-
       lung von
     feingliedri-                                                                                               Foto: Iris Maurer
          gem
      Schmuck.
              Ihre Leidenschaft gilt dem Schmuck



              SAARLÄNDISCHE TYPEN Die Dudweilerin Tine Meister häkelt Perlenketten


                                Von Silvia Buss                   gehäkelt sind. Aus feinem silbernen oder auch goldfarbe-
                                                                  nem Edelstahldraht. „Die Idee mit dem Häkeln kam mir, als
              Außer zum Sport geht Tine Meister nie ohne aus dem Haus:   ich Ketten mit Perlen machen wollte, die so lang sind, dass
              ohne Ohringe. „Sie dürfen auch ruhig ein bisschen größer   man sie sich mehrfach umschlingen kann, die aber trotz-
              sein“, sagt sie. Die Frau hat es gut: Wenn ihr zum Pullover   dem nicht so schwer sein sollten“, erklärt die Schmuckma-
              oder Schal noch der passende Ohrbehang fehlt, macht sie   cherin. Heute ist der Häkel-Look so etwas wie ihr Marken-
              ihn selbst. Denn Schmuck herzustellen, das ist die große   zeichen geworden. An einer Häkelkette sitze sie viele Stun-
              Leidenschaft der Dudweilerin. „Eigentlich schon immer, ich   den, sagt Tine Meister. Für die Hände sei das ganz schön
              habe schon mit 16 auf dem Flohmarkt selbstgemachte Fe-  anstrengend, denn der Edelstahldraht, der härter und so-
              derrohringe verkauft“, erzählt Tine Meister. Beruflich hat sie   mit stabiler sei als Silberdraht, schneide schnell in die Fin-
              aber einen anderen Weg eingeschlagen. Auf eine Ausbil-  ger. Aber das Häkeln habe auch etwas Meditatives. „Das
              dung, in der sie lernte, orthopädische Maßschuhe anzufer-  kann ich sogar mal abends nebenbei beim Fernsehen ma-
              tigen, folgte gleich ein Studium der Sozialpädagogik und   chen“.
              Sozialen  Arbeit,  wonach sie sich für eine nicht gerade
              leichte Tätigkeit entschied. Der Saarbrücker Verein „Chance“   Tine Meister lächelt. Wie viele Ketten sie in ihrem Leben
              betreut  und  begleitet  straffällig  gewordene  Jugendliche   schon kreiiert hat, das kann sie nicht genau sagen. Das
              pädagogisch, um ihnen bessere Perspektiven zu eröffnen.   ganze „Geschmeide“ behält die Schmuckbegeisterte na-
                                                                  türlich nicht für sich. Auch auf Flohmärkten verkauft sie seit
                Die kreative Beschäftigung, vor allem mit Schmuck, hat   ihrer Jugend. Vor nunmehr 40 Jahren, zu jener Zeit als die
              Tine Meister jedoch nie aufgegeben, sondern immer wei-  Frauenbewegung noch vieles ausprobierte und viele Pro-
              ter entwickelt. Sie besuchte etwa an der Volkshochschule   jekte gründete, hat sich auch Tine Meister einem frisch ge-
              Kurse  in  Tiffany-Technik,  in  denen  sie                    gründetem Projekt von Frauen für Frauen an-
              lernte, wie man Glasstücke mit Kupferfolie   „Uns war es wichtig   geschlossen: Die Werkstube. „Wir waren um
              zusammenlöten kann. „Erst habe ich mit  geworden, dass wir für   die 20 Frauen, die alle für sich allein irgend
              dieser  Technik eine Zeit lang Glasbilder  unsere schönen Dinge   etwas Kreatives machten, aber die Ergeb-
              gemacht,  dann habe ich gemerkt, dass   auch Abnehmerinnen     nisse nicht öffentlich zeigen konnten“, erzählt
              man damit auch sehr gut Edelsteine, Berg-    finden“           Tine Meister.  Gemeinsam  mieteten  sie  als
              kristall oder Ammoniten, Versteinerungen,                      Verein damals einen kleinen Laden in der
              einfassen kann“, erinnert sich Tine Meister.                   Saarbrücker Gerberstraße, stellten ihre Sei-
              Steine  mit  besonders  ausgefallenen  For-                    denmalerei, Näharbeiten, Batik, Schmuck
              men  oder  Oberflächen  fasst  sie  noch                       oder auch Töpfereien aus und gaben ihre Er-
              heute zu Anhängern, die man an einem schmalen Reif um   fahrungen mit den  Techniken an Interessierte  weiter. Ein
              den Hals hängen kann.  Ansonsten aber experimentiert   Teil der Gruppe wechselte zehn Jahre später in die Cecili-
              Tine Meister schon lange lieber mit Ketten, die aus vielen   enstraße und gründete dort das „Unikat“. „Uns war es wich-
              Perlen  aus  Schmucksteinen  aller  Art  bestehen.  Es  sind   tiger geworden, dass wir für unsere schönen Dinge auch
              Steine  wie  Achat,  Karneol,  Citrin,  Amethyste,  Labradorit,   Abnehmerinnen  finden“,  sagt  Tine  Meister,  die  sich  dann
              auch Koralle oder Süßwasserperlen, die sie vor allem in   neben ihrem Hauptberuf auf einmal noch um Dinge wie
              Idar-Oberstein, dem nahegelegenen Edelsteinparadies,   Buchhaltung kümmerte. „Alles, was mit Unikat zu tun hat,
              beschafft.  So  manche  Fundstücke  stöbert  sie  aber  auch   war für mich aber ein wohltuender Ausgleich zum Job“, sagt
              beim Spazierengehen auf und im Urlaub. Erst bei näherer   sie. Seit Ende vorigen Jahres ist die kreative 63-Jährige im
              Betrachtung erkennt man, dass  viele der Perlen-Ketten   Ruhestand. Nun kann sie sich  voll ihrer Schmuckleiden-
              nicht aus den üblichen Kettengliedern bestehen, sondern   schaft hingeben.


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