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Titelthema
                           Die Arbeitszeit pro Tag darf


                           nicht verlängert werden



                           ARBEITSSCHUTZ  Mehr als acht Stunden Arbeit bedeuten zusätzliche Gefährdungen

                           Nur vier Tage die Woche zu    rinnen für eine Arbeitszeitreduzie-  nicht immer zufriedenstellend um-
                           arbeiten klingt erst einmal ver-   rung  entscheiden.  Sie  versuchen   gesetzt, eine Ausweitung der Zeit
                           lockend. Wenn das jedoch be-   damit,  Arbeit  und  soziale  Ver-  über mehr als acht Stunden stellte
                           deutet, das gesamte Pensum der   pflichtungen  besser  zu  vereinba-  eine  zusätzliche  Gefährdung  dar.
                           Woche in vier Tage pressen und   ren und die zunehmenden Gefähr-  Befragungen zeigen, dass in vielen
                           damit längere Arbeitstage in Kauf   dungen für die Gesundheit zu re-  Betrieben die Pausen- und Ruhe-
                           nehmen zu müssen, kann das    duzieren. Dabei nehmen sie Lohn-  zeiten nicht eingehalten  werden
                           etliche negative Folgen haben.  einbußen und die damit  ver-   (können). Das ist für die Gesunder-
                                                         bundenen Nachteile in Kauf.  haltung aber  von großer Bedeu-
                           Von Heike-Rebecca Nickl         Ob  eine Arbeitszeitreduzierung   tung.  Bei  einem  4-Tage-Modell
                                                         für alle einen  Vorteil für die Ge-  nutzt es nichts, die drei freien Tage
                           Die Debatte über kürzere Arbeits-  sundheit  und  Zufriedenheit  der   geballt zur Erholung zu  verwen-
                           zeiten muss die Gesundheit der   Beschäftigten bringt, hängt jedoch   den, wenn die Erschöpfung allein
                           Beschäftigten  im  Blick  haben,   von der konkreten  Arbeitszeitge-  an einem Arbeitstag schon zu ei-
                           denn  in vielen  Branchen  hat  sich   staltung im Einzelfall ab. Entschei-  nem  Unfall  führen  kann.  Hinzu
                           die Arbeitsintensität in den letzten   dend  ist dabei –  und  das geht   kommt:  Soziale  Verpflichtungen
                           Jahren  erheblich  gesteigert.  Ein   manches  Mal  in  der  öffentlichen   fallen täglich an. Weniger tägliche
                           Grund  dafür  ist,  dass  Unterneh-  Diskussion durcheinander – dass   Freizeit bedeuten noch  weniger
                           men vermehrt versuchen oder ge-  es sich um eine tatsächliche Ver-  Zeit und mehr Stress. Ob Beschäf-
                           zwungen sind, mit weniger Perso-  kürzung der Arbeitszeit in der Wo-  tigte mit Familie oder sonstigen so-
                           nal  auszukommen.  Gleichzeitig                            zialen  Verpflichtungen  damit  auf
                           haben sich vielerorts auch andere   Die Erschöpfung steigt an  Dauer  zufriedener  werden,  muss
                           Arbeitsbedingungen verschlech-                             bezweifelt werden.
                           tert. Das hat Auswirkungen auf die   che  handelt.  Ein  reines  „Zusam-  Dies alles ist anders bei einer
                           Gesundheit der Beschäftigten. Die   menschieben“ der bisherigen Zeit   täglichen  Arbeitszeitreduzierung.
                           Krankheitstage (insbesondere auf-  auf vier Tage kann aus arbeitswis-  Die  Stresszeiten  reduzieren  sich,
                           grund von Muskel-Skelett-Erkran-  senschaftlicher Sicht ganz und gar   Ruhezeiten  verlängern sich und
                           kungen und psychischer Störun-  nicht  befürwortet  werden,  denn   die  Vereinbarkeit  von Beruf und
                           gen) haben nicht zuletzt dadurch   damit  würde die  Arbeitszeit am   Privatem  verursacht  weniger
                           zugenommen.  Das verschärft  die   Tag verlängert. Im Laufe eines Ar-  Stress.  Mehr  Zeit  für  Erholung
                           Situation in den Betrieben zusätz-  beitstags lässt die Konzentration   bringt (bestenfalls) mehr Gesund-
                           lich. Die Folgen sind eine noch ge-  nach. Ab der achten Arbeitsstunde   heit  und  damit  mehr  Resilienz,
                           ringere    Personalabdeckung,   erhöhen sich die Fehlerquoten   zum Beispiel gegenüber emotio-
                           starke Unzufriedenheit in der Be-  und die Unfallgefahr steigt. Mit ei-  nalen  Anforderungen.  Dies  sind
                           legschaft,  Frühverrentung  und   nem  8-Stunden-Tag  sind  etwa   geeignete Voraussetzungen  für
                           hohe Krankheitskosten für die Ge-  auch die Berechnungen  von   zufriedene sowie motivierte Be-
                           sellschaft.  Unzufriedenheit  und   Grenzwerten verbunden. Wer län-  schäftigte und diese bringen letzt-
            Ab der achten   die negativen Folgen für die Ge-  ger arbeitet, setzt sich länger Ge-  lich  Vorteile  für  die  Betriebe.  Ein
            Arbeitsstunde   sundheit sind schon seit geraumer   fahrstoffen oder Lärm aus. Schon   geringerer Krankenstand erhöht
                 steigt die   Zeit  Grund  dafür,  dass  sich  zum   jetzt sind diesbezügliche Arbeits-  die Planbarkeit, reduziert betriebs-
              Fehlerquote.  Beispiel Pflegekräfte und Erziehe-  schutzmaßen in  vielen Betrieben   bedingte Störungen und führt zu
                                                                                      mehr  Kundenzufriedenheit.  Moti-
                                                                                      vierte und zufriedene Beschäftigte
                                                                                      sind ihrem Betrieb gegenüber lo-
                                                                                      yaler eingestellt und leisten mehr,
                                                                                      sodass bestenfalls die Produktivi-
                                                                                      tät erhöht werden kann, unter Um-
                                                                                      ständen auch die Qualität. Unterm
                                                                                      Strich sollten die Vorteile der Be-
                                                                                      triebe Grund genug für einen fai-
                                                                                      ren  Lohnausgleich  sein.  Denn
               Foto: Adobe Stock/amnaj                                                sondern die Leistung der Beschäf-
                                                                                      nicht die geleistete Arbeitsstunde,
                                                                                      tigten sollte entlohnt werden.

                                                                                      Heike-Rebecca Nickl leitet das
                                                                                      Referat Betriebliche Sicherheit und
                                                                                      Gesundheitsschutz.


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