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Position
„Die Belegschaft wird bisher als
Akteur nicht wahrgenommen“
INTERVIEW Über innovative Lösungen in der Unternehmensnachfolge
Claudia Henke, Co-Gründerin und einer GmbH in eine eG umgewan- Struktur zur Nachfolge, die wir um
Co-Vorstand von Platform Coope- delt. Die ehemaligen Mitarbeiten- eine bisher nicht genutzte Mög-
ratives Germany eG, entwickelt den sind zu Mitgliedern der Genos- lichkeit ergänzen. Da in diesem
gemeinsam mit nationalen und senschaft geworden und damit zu Modell den Beschäftigten eine be-
internationalen Partnern nachhal- Miteigentümerinnen und Mitei- sondere Rolle zukommt, denn sie
tige Unterstützungssysteme für gentümern. Sie entscheiden unter übernehmen den Betrieb, ist ge-
eine kooperative Ökonomie wie anderem darüber, wer als Vorstand rade auch eine Institution wie die
das Modell des Workers‘ bezie- das Unternehmen leitet, wer ihn Arbeitskammer als ihre Interes-
hungsweise Employees‘ Buyout als Aufsichtsrat berät und kontrol- senvertretung von großer Bedeu-
(WBO) für die Unternehmens- liert, über Unternehmensstrategie tung. Die Belegschaft bleibt im Ar-
nachfolge. Davon spricht man, und Gewinnverteilung. So kann beitnehmerin-Verhältnis und wird
wenn die Betriebsübernahme unter anderem auch sichergestellt Miteigentümerin. Sie ist somit bei Claudia
durch die Belegschaft in Form ei- werden, dass eine bestehende sich selbst angestellt. Man rechnet Henke
ner eingetragenen Genossen- gute Unternehmenskultur erhalten im Schnitt damit, dass eine Unter- (Foto: Thomas
schaft erfolgt. Arbeitnehmerinnen bleibt. nehmensnachfolge rund fünf Zydatiß) ist
werden dadurch zu neuen Mitun- Jahre dauert. Von ersten Vorüber- Soziologin,
ternehmern, die den Betrieb ge- In Brandenburg wird Ihr Modell- legungen bis zur endgültigen Expertin zum
meinsam weiterführen. Frederik projekt bereits mit öffentlichen Übergabe, ein guter Zeitrahmen, in Thema
Moser hat mit ihr über Potenziale Geldern gefördert. Das Konzept dem sich die Belegschaft auf diese Genossen-
des Modells für das Saarland ge- des Workers‘ Buyouts möchten neue Rolle vorbereiten kann. schaften und
sprochen. Sie nun auch ins Saarland Mitbegründe-
bringen. Welche Potenziale Wie und in welcher Form können rin der
Frau Henke, zusammen mit Ihren sehen Sie hier bei uns? Sie und ihre Projektpartner Platform
Projektpartnern wollen Sie für Das Land Brandenburg und der Unternehmen beziehungsweise Cooperatives
das Modell des Workers‘ Buyout Europäische Sozialfonds haben die Belegschaftsinitiativen konkret Germany eG.
sensibilisieren und beraten Entwicklung unseres Konzeptes dabei unterstützen, wenn eine Kontakt:
Belegschaftsinitiativen. Welche als soziale Innovation gefördert. Unternehmensnachfolge durch E-Mail an
Vorteile sehen Sie in Arbeiterko- WBO wird bisher weltweit erfolg- eine Arbeitergenossenschaft claudia.
operativen? reich eingesetzt, um Krisenbe- angestrebt wird? henke@
Bisher werden Beschäftigte als Ak- triebe zu retten: Die Belegschaft Bei einer Unternehmensnachfolge platformco-
teure in der Unternehmensnach- übernimmt das Unternehmen, si- gilt es einiges zu beachten und da- ops.de
folge, in der wir Workers‘ Buyout chert so die eigenen Arbeitsplätze, für gibt es die etablierten Anlauf-
einsetzen wollen, nicht wahrge- das Unternehmensknowhow, trägt stellen im Saarland. Wenn das Mo-
nommen. Bekannt ist noch ein Ma- dazu bei, dass das Unternehmen dell Workers‘ Buyout interessant
nagement Buyout, die Geschäfts- der Region erhalten bleibt und ver- sein könnte, bieten wir mit unse-
führung führt das Unternehmen hindert damit die ganzen negati- rem Netzwerk dazu ergänzend
weiter. Dass aber die Belegschaft ven Effekte, die mit einer Schlie- Einführungs-Workshops, Beratun-
eine Hauptrolle übernimmt, ist ein ßung einhergehen. Begleitet wird gen und Weiterbildungen an. Wir
Ansatz, der in Deutschland bisher WBO von einem starken Unter- arbeiten Peer-to-Peer, das heißt,
weitestgehend unbekannt ist. Hier stützungssystem, in Italien wurden wir sind selbst Genossenschaften,
ein paar aktuelle Zahlen zur Nach- dafür unter anderem entspre- die aus der Praxis beraten. Das
folge, durch die demografische chende Gesetze erlassen. Das Saarland fördert im Übrigen Bera-
Entwicklung eine der drängends- Saarland verfügt bereits über eine tungen zur Nachfolge und Weiter-
ten Herausforderungen der westli- gut vernetzte, unterstützende bildungen der Belegschaft.
chen Welt: Laut KfW wollen in zwei
Jahren bundesweit mehr als eine
halbe Million kleine und mittlere
Unternehmen übergeben, drei Die Mehrheit
Viertel haben Schwierigkeiten, ge- der Unter-
eignete Nachfolgerinnen bezie- nehmen, bei
hungsweise Nachfolger zu finden. denen eine
Das heißt, dass bereits Ende 2025 Nachfolge
gegebenenfalls 165.000 gesunde ansteht, hat
Unternehmen schließen. Workers‘ Foto: Adobe Stock/MQ-Illustrations Probleme,
Buyout (WBO) kann als ein weite- einen ge-
res Modell die bestehenden Lö- eigneten
sungen ergänzen. Unser Partner Nachfolger zu
oose hat sich vor zehn Jahren von finden.
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