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Arbeitswelten
                                    Viel Empathie,



                     keine Berührungsängste




                   PORTRÄT  Dietmar Gebert hat mit 50 Jahren zum Bestatter umgesattelt

                                  Von Katja Sponholz (Text) und Pasquale D‘Angiolillo (Foto)
        Mag sein, dass so mancher erst zusammenzuckt,           Im Idealfall werden solche Wünsche bereits im Vor-
        wenn er von seinem Beruf erfährt. Doch negative Er-     feld bei so genannten  Vorsorgegesprächen festge-
        fahrungen hat Dietmar Gebert noch nie gemacht. Im       legt. Auch bei den Einsargungen ist Gebert in der Re-
        Gegenteil:  Viele Menschen, denen er im Dienst be-      gel dabei. Mehrfach hat er zudem Überführungen bis
        gegnet, sind vor allem dankbar dafür, dass er da ist.   nach  Italien  und  Rumänien  begleitet.  Und  auch  als
        Und dass er sich in sie hineinversetzen und ihnen viele   Trauerredner ist er inzwischen tätig. „Natürlich gibt es
        organisatorische Dinge abnehmen kann.                           auch  traurige  Momente“,  sagt  er.  Als  bald
        Denn  Dietmar  Gebert  ist  Bestatter.  Ge-  Generell versuchen   dreifacher Opa fällt ihm vor allem der Um-
        nauer  gesagt:  Fachgeprüfter  Bestatter.                       gang mit verstorbenen Kindern schwer. „Das
        Eigentlich  ist  der  57-Jährige  gelernter   wir immer         steckt man nicht so einfach weg“, gibt er zu.
        Elektriker und arbeitete im Kraftwerk und   alles so zu regeln,    „Aber das ist auch gut: Es zeigt, dass ich in
        zuletzt als Leitstandsfahrer in der Müll-  als ob es jemand     den  20  Jahren  nicht  gefühlskalt  geworden
        verbrennungsanlage.  Doch  als  sein    aus der eigenen         bin.“
        Freund Christian Duchene ihn  vor acht    Familie wäre,
        Jahren fragte, ob er sich vorstellen könne,                     Vor allem der Kontakt mit Menschen ist es,
        Vollzeit in seinem Bestattungsunterneh-  der gestorben ist.     den er an seinem Beruf mag. „Und dass es
        men in Völklingen zu arbeiten, entschloss                       abwechslungsreich  ist.  Kein Tag  ist wie  der
        er sich, umzusatteln. Und auch, wenn es                         andere!“ Weil das Unternehmen Avalon Ver-
        keine leichte Entscheidung war, eine si-                        tragspartner der Kriminalpolizei ist,  wird er
        chere Arbeitsstelle im öffentlichen Dienst                      auch zu unnatürlichen Toden, Suiziden und
        aufzugeben, hat er es nie bereut: „Es war                       Verkehrsunfällen gerufen,  wenn die Leich-
        für mich mit 50 Jahren die Chance, aus der Wechsel-     name zur Gerichtsmedizin  nach Homburg gebracht
        schicht auszusteigen.“ Und zugleich, einen Industrie-   werden müssen. „Dadurch wird es eine sehr vielseitige
        betrieb zu verlassen, in dem man nur noch eine Num-     und zum Teil auch spannende Arbeit“, sagt der 57-Jäh-
        mer gewesen sei.                                        rige. Und es gibt auch Momente, die ihn nachdenklich
                                                                machen: Wenn Beerdigungen ohne Angehörige statt-
        Die  Arbeitswelt eines Bestatters  war Gebert schon     finden oder jemand monatelang tot in der Wohnung
        lange vertraut: Bereits vor 20 Jahren hatte er im väter-  gelegen hat, ohne dass es jemand bemerkt hat. „So
        lichen  Betrieb  seines  Freundes  nebenberuflich  als   etwas  ist  schon  erschreckend.“  Dass  er  inzwischen
        Träger angefangen, half beim Einsargen und war bei      auch seine Oma, seine Schwiegereltern und seinen
        Beerdigungen dabei. Berührungsängste hatte er da-       Vater selbst eingesargt hat, war allerdings kein Schock
        bei nicht: „Für mich war der Umgang mit Toten immer     für ihn: „Es war das Letzte, was ich noch für denjenigen
        ganz normal“, blickt er zurück. Schon als Messdiener in   machen konnte.“
        der Kirche habe er die Verstorbenen gesehen, wenn
        sie offen aufgebahrt waren. Und doch war der erste
        Kontakt, den Dietmar Gebert mit dem Bestattungswe-
        sen hatte, kein positiver. Das war im Jahr 2000, als die      HINTERGRUND
        Oma seiner Frau starb. „Als der Bestatter kam, war ich
        geschockt“, sagt er. „Die Mitarbeiter kamen in einer Art        Zusätzlich zur Möglichkeit, berufsbegleitend
        Hausmeisterkittel und in Jeans. Das war einfach nicht            eine Fortbildung zum „Geprüften Bestatter“
        würdevoll, wie sie die Frau eingesargt haben.“ Dass es           zu absolvieren, kann man auch eine Ausbil-
        anders geht, weiß er, seitdem er in den Betrieben der             dung zur „Bestattungsfachkraft“ machen.
        Familie Duchene arbeitet. Hier wird besonderer Wert              Diese dauert in der Regel drei Jahre. Nach der
        darauf gelegt, dass man mit Würde mit den Verstor-               Ausbildung kann man als Geselle arbeiten,
        benen  umgeht  –  und  mit viel  Einfühlungsvermögen             sich weiter spezialisieren oder den Meister-
        mit den Hinterbliebenen. „Generell versuchen wir im-              brief (Bachelor Professional) erwerben.
        mer, alles so zu regeln, als ob es jemand aus der eige-
        nen Familie wäre, der gestorben ist“, sagt Gebert.              Laut Bundesverband Bestatter gibt es derzeit
                                                                         als Ausbildungsvergütung 590 Euro im 1.
        Voraussetzung für den Beruf sei, dass man empa-                  Lehrjahr, 690 Euro im 2. Lehrjahr und 790
        thisch mit der Situation und den Menschen umgehe.                Euro  im 3. Lehrjahr. 2023 steigt es auf: 625
        Geberts Aufgabe ist es vor allem, mit den Trauernden             Euro, 735  Euro und 840 Euro. „Gehalt.de“
        zu besprechen, was nun zu tun ist: Sie zu informieren,           beziffert das  durchschnittliche Bestatter-
        welche Papiere sie benötigen oder  welche unter-                 Gehalt auf 2.988  Euro brutto im Monat.    ks
        schiedlichen  Bestattungsformen  es  inzwischen  gibt.

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