Page 43 - AK-Konkret: 5 | 2022 + AK-SPEZIAL Weiterbildung
P. 43

Recht + Rat
        Aufhebungsvertrag: Niemals


        unter Druck unterschreiben



        GEBOT FAIREN VERHANDELNS  Auf dieses Instrument sollte man sich nicht verlassen

        Immer wieder passiert es, dass   Unwirksamkeit gerichtlich fest-  dung des Vertragspartners erheb-
        Beschäftigte einen Aufhebungs-  gestellt  werden. Doch erfüllt   lich erschwert oder sogar unmög-
        vertrag vorgesetzt bekommen,   nicht jedes subjektive Gefühl von   lich macht“. So wurde es einerseits
        den sie sofort unterschreiben   „Zwang“ beispielsweise den Tat-  als unfair angesehen, dass Be-
        sollen. Davon ist aber unbedingt   bestand  einer widerrechtlichen   schäftigten nicht vorab das Thema
        abzuraten: Betroffene sollten   Drohung. In der Praxis liegt nur in   des Gesprächs genannt und ihnen
        sich nicht unter Druck setzen   seltenen Ausnahmefällen ein An-  keine anwaltliche Begleitung er-
        lassen und sich auf jeden Fall   fechtungsgrund im Sinne des   möglicht wurde. Andererseits galt
        beraten lassen, bevor sie einen   Gesetzes vor.            es nicht als unfair, dass der Arbeit-
        Vertrag unterschreiben.                                    geber oder die Arbeitgeberin den
                                     Kein allgemeines              Abschluss  eines Aufhebungsver-
        Von Uli Meisinger            Widerrufsrecht                trages  von der sofortigen  An-
                                       Ein Aufhebungsvertrag  kann   nahme des  Angebots abhängig
        Ratsuchende berichten öfter der   grundsätzlich auch nicht  wider-  macht, Beschäftigten keine Be-
        Abteilung Beratung der  AK da-  rufen  werden. Der Gesetzgeber   denkzeit  verbleibt oder sie einen
        von, dass ihr Arbeitgeber sie zur   hat kein allgemeines Widerrufs-  Rechtsrat einholen können.
        Unterzeichnung  eines Aufhe-  recht  für Aufhebungsverträge
        bungsvertrages     „zwingen“  statuiert. Dies gilt auch  dann,   Fazit:  Das Gebot fairen  Verhan-
        würde. Zweck eines  Aufhe-   wenn ein Aufhebungsvertrag au-  delns soll Beschäftigte  vor den
        bungsvertrages ist die einver-  ßerhalb der Geschäftsräume,   Auswirkungen  unfairer Verhand-
        nehmliche Beendigung des be-  etwa bei  Arbeitnehmenden „an   lungssituationen etwa im Kontext
        stehenden Arbeitsverhältnisses.   der Haustür“, zustande gekom-  von Aufhebungsverträgen schüt-
        Liegt  aus  objektiver  Sicht  dafür   men ist. Ein Widerruf eines Auf-  zen. Ob  eine  unfaire  Verhand-
        jedoch kein wichtiger Grund vor,   hebungsvertrages ist nur dann   lungssituation vorgelegen  hat,
        so kann dies unter anderem zu   denkbar,  wenn  ein Widerrufs-  muss in jedem Einzelfall anhand
        erheblichen  sozialrechtlichen  recht im Vertrag selbst vereinbart   der Gesamtumstände der konkre-
        und  mithin  finanziellen  Folgen   wurde.                 ten Verhandlungssituation  ent-
        führen, wie etwa einer sogenann-                           schieden werden. Mangels klarer
        ten Sperrzeit beim Bezug  von   Das Gebot fairen Verhandelns  und einheitlicher Leitlinien sollten
        Arbeitslosengeld. Ganz pauschal   In der jüngeren Rechtsprechung   sich  Betroffene  somit  nicht  auf
        ist daher anzuraten, einen Aufhe-  hat sich die (umstrittene) Rechtsfi-  dieses Instrument verlassen. In je-
        bungsvertrag  niemals  unter  gur „Gebot fairen Verhandelns“ he-  dem Fall sollte vor Abschluss ei-
        Druck oder Zwang zu unterzeich-  rausgebildet. Sie soll  verhindern,   nes Aufhebungsvertrages  immer   Mit einem
        nen, sondern sich vorher an ge-  dass die Rechtsfolge  von  Aufhe-  eine umfassende Beratung ein-  Aufhebungs-
        eigneter Stelle beraten zu lassen.   bungsverträgen  dadurch  zu-  geholt  werden. Fühlen sich Be-  vertrag soll
        Doch was tun, wenn der Aufhe-  stande kommt, dass Beschäftigte   troffene unter Druck gesetzt oder   das Arbeits-
        bungsvertrag  bereits  unter-  unfairen Verhandlungssituationen   überfordert,  so  können  und  dür-  verhältnis
        schrieben wurde?             ausgesetzt   werden.    Das   fen sie auch einfach „Nein“ sagen   einvernehm-
                                     Bundesarbeitsgericht sieht eine   und den Aufhebungsvertrag nicht   lich beendet
        (Un-)Wirksamkeit eines       solche als gegeben,  wenn „eine   unterschreiben            werden – das
        Aufhebungsvertrages          psychische Drucksituation ge-                               ist allerdings
         Der sogenannte Grundsatz der   schaffen oder ausgenutzt wird, die   Uli Meisinger ist Sozial- und   nicht immer
        Vertragsfreiheit erlaubt es  Ver-  eine freie und überlegte Entschei-  Arbeitsrechtsberater.  der Fall.
        tragsparteien, Verträge  jeglicher
        Art zu schließen, sofern diese
        nicht gegen geltendes Recht
        verstoßen. Dies können im Zwei-
        felsfall auch Verträge sein, die für
        den einen günstiger und den an-
        deren ungünstiger sind. Die Wirk-
        samkeit eines Aufhebungsvertra-
        ges kann rechtlich überprüft
        werden. Kommt ein solcher bei-
        spielsweise durch arglistige Täu-                                                                   Foto: Adobe Stock/Anja Götz
        schung  oder widerrechtliche
        Drohung zustande, so kann er
        angefochten und – bei Vorliegen
        der  Voraussetzungen – dessen

                                                                                       AK-Konkret 5|22  ·  43
   38   39   40   41   42   43   44   45   46   47   48