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Recht + Rat
Aufhebungsvertrag: Niemals
unter Druck unterschreiben
GEBOT FAIREN VERHANDELNS Auf dieses Instrument sollte man sich nicht verlassen
Immer wieder passiert es, dass Unwirksamkeit gerichtlich fest- dung des Vertragspartners erheb-
Beschäftigte einen Aufhebungs- gestellt werden. Doch erfüllt lich erschwert oder sogar unmög-
vertrag vorgesetzt bekommen, nicht jedes subjektive Gefühl von lich macht“. So wurde es einerseits
den sie sofort unterschreiben „Zwang“ beispielsweise den Tat- als unfair angesehen, dass Be-
sollen. Davon ist aber unbedingt bestand einer widerrechtlichen schäftigten nicht vorab das Thema
abzuraten: Betroffene sollten Drohung. In der Praxis liegt nur in des Gesprächs genannt und ihnen
sich nicht unter Druck setzen seltenen Ausnahmefällen ein An- keine anwaltliche Begleitung er-
lassen und sich auf jeden Fall fechtungsgrund im Sinne des möglicht wurde. Andererseits galt
beraten lassen, bevor sie einen Gesetzes vor. es nicht als unfair, dass der Arbeit-
Vertrag unterschreiben. geber oder die Arbeitgeberin den
Kein allgemeines Abschluss eines Aufhebungsver-
Von Uli Meisinger Widerrufsrecht trages von der sofortigen An-
Ein Aufhebungsvertrag kann nahme des Angebots abhängig
Ratsuchende berichten öfter der grundsätzlich auch nicht wider- macht, Beschäftigten keine Be-
Abteilung Beratung der AK da- rufen werden. Der Gesetzgeber denkzeit verbleibt oder sie einen
von, dass ihr Arbeitgeber sie zur hat kein allgemeines Widerrufs- Rechtsrat einholen können.
Unterzeichnung eines Aufhe- recht für Aufhebungsverträge
bungsvertrages „zwingen“ statuiert. Dies gilt auch dann, Fazit: Das Gebot fairen Verhan-
würde. Zweck eines Aufhe- wenn ein Aufhebungsvertrag au- delns soll Beschäftigte vor den
bungsvertrages ist die einver- ßerhalb der Geschäftsräume, Auswirkungen unfairer Verhand-
nehmliche Beendigung des be- etwa bei Arbeitnehmenden „an lungssituationen etwa im Kontext
stehenden Arbeitsverhältnisses. der Haustür“, zustande gekom- von Aufhebungsverträgen schüt-
Liegt aus objektiver Sicht dafür men ist. Ein Widerruf eines Auf- zen. Ob eine unfaire Verhand-
jedoch kein wichtiger Grund vor, hebungsvertrages ist nur dann lungssituation vorgelegen hat,
so kann dies unter anderem zu denkbar, wenn ein Widerrufs- muss in jedem Einzelfall anhand
erheblichen sozialrechtlichen recht im Vertrag selbst vereinbart der Gesamtumstände der konkre-
und mithin finanziellen Folgen wurde. ten Verhandlungssituation ent-
führen, wie etwa einer sogenann- schieden werden. Mangels klarer
ten Sperrzeit beim Bezug von Das Gebot fairen Verhandelns und einheitlicher Leitlinien sollten
Arbeitslosengeld. Ganz pauschal In der jüngeren Rechtsprechung sich Betroffene somit nicht auf
ist daher anzuraten, einen Aufhe- hat sich die (umstrittene) Rechtsfi- dieses Instrument verlassen. In je-
bungsvertrag niemals unter gur „Gebot fairen Verhandelns“ he- dem Fall sollte vor Abschluss ei-
Druck oder Zwang zu unterzeich- rausgebildet. Sie soll verhindern, nes Aufhebungsvertrages immer Mit einem
nen, sondern sich vorher an ge- dass die Rechtsfolge von Aufhe- eine umfassende Beratung ein- Aufhebungs-
eigneter Stelle beraten zu lassen. bungsverträgen dadurch zu- geholt werden. Fühlen sich Be- vertrag soll
Doch was tun, wenn der Aufhe- stande kommt, dass Beschäftigte troffene unter Druck gesetzt oder das Arbeits-
bungsvertrag bereits unter- unfairen Verhandlungssituationen überfordert, so können und dür- verhältnis
schrieben wurde? ausgesetzt werden. Das fen sie auch einfach „Nein“ sagen einvernehm-
Bundesarbeitsgericht sieht eine und den Aufhebungsvertrag nicht lich beendet
(Un-)Wirksamkeit eines solche als gegeben, wenn „eine unterschreiben werden – das
Aufhebungsvertrages psychische Drucksituation ge- ist allerdings
Der sogenannte Grundsatz der schaffen oder ausgenutzt wird, die Uli Meisinger ist Sozial- und nicht immer
Vertragsfreiheit erlaubt es Ver- eine freie und überlegte Entschei- Arbeitsrechtsberater. der Fall.
tragsparteien, Verträge jeglicher
Art zu schließen, sofern diese
nicht gegen geltendes Recht
verstoßen. Dies können im Zwei-
felsfall auch Verträge sein, die für
den einen günstiger und den an-
deren ungünstiger sind. Die Wirk-
samkeit eines Aufhebungsvertra-
ges kann rechtlich überprüft
werden. Kommt ein solcher bei-
spielsweise durch arglistige Täu- Foto: Adobe Stock/Anja Götz
schung oder widerrechtliche
Drohung zustande, so kann er
angefochten und – bei Vorliegen
der Voraussetzungen – dessen
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