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Politik + Gesellschaft
„Wenn man anpackt, denkt
man nicht so viel nach“
UKRAINE-KRIEG Mit einem Hilfs-Konvoi an die ukrainische Grenze
Seit dem Angriff Russlands auf
die Ukraine im Februar engagie-
ren sich auch hierzulande viele
Menschen für die Opfer des
Krieges. Nicole Baumhacker ist
eine von ihnen. Sie fuhr zusam-
men mit weiteren Ehrenamtlern
gesammelte Spenden von St.
Ingbert aus in eine Flüchtlings-
unterkunft nach Moldawien und
an die ukrainische Grenze. Foto: Nicole Baumhacker
Von Alexander Stallmann
Als sie gefragt wurde, ob sie mit An diesem Grenzübergang im moldawischen Palanca retten sich
einem Hilfskonvoi an die ukraini- Menschen aus der Ukraine nach Modawien.
sche Grenze fahren will, hat Nicole
Baumhacker ohne darüber nach- moldawischen Hauptstadt schnell weiter nach Westen zu ge-
zudenken sofort Ja gesagt. Die Be- Chișinău, die vom Round Table langen. Andere wollten in Molda-
denken kamen kurze Zeit später. Moldowa betrieben wird. Dorthin wien bleiben. Sie hofften, dass der
„Ich hatte während der Fahrt etwas brachte Baumhacker zusammen Krieg bald ein Ende findet und sie
Bauchschmerzen und definitiv Re- mit weiteren Ehrenamtlern nun zurück in ihre ukrainische Heimat
spekt. Aber es stand dennoch nie mehrere Lkw-Ladungen mit können. Fünf ukrainische Geflüch-
zur Debatte, es nicht zu tun“, sagt Schlafsäcken, Matratzen, medizi- tete, die nach Deutschland woll-
die 36-Jährige. Baumhacker enga- nischen Hilfsgütern und vielem ten, nahmen die Ehrenamtler auf
giert sich seit vielen Jahren beim mehr. dem Rückweg mit ins Saarland.
Ladies Circle Saarbrücken. Der Nach einer Anreise von 48 Stun- „Die Menschen, die wir im Auto
Serviceclub unterstützt gemein- den trafen die saarländischen Hel- mitgenommen haben, waren ver-
sam mit dem Round Table Saar- fer vor Ort auf etwa 50 Menschen ständlicherweise sehr verhalten.
brücken derzeit die Ehrenamtler in der Unterkunft, die sich auf der Neben den traumatischen Erleb-
des „Freunde-Helfen-Konvoi“, der Flucht vor Krieg und Terror bis nissen waren sie jetzt bei Fremden
Hilfsgüter in das Kriegsgebiet lie- nach Chişinău durchgeschlagen im Fahrzeug und wussten nicht,
fert. Schon lange vor dem russi- hatten. „Die Menschen waren ei- wie es für sie weitergeht“, sagt die
schen Angriff auf die Ukraine im nerseits natürlich traumatisiert von Saarbrückerin. Ein Junge habe von
Februar dieses Jahres fuhren die dem, was sie erlebt haben. Man der Flucht berichtet und erzählt,
Ehrenamtler häufig nach Osteu- konnte ihnen allerdings auch die dass sein Vater zurückgeblieben
ropa. Dadurch entstanden viele Erleichterung anmerken, nun in Si- sei, um zu kämpfen.
Kontakte zu den Menschen vor cherheit zu sein“, sagt Baumha- Am Tag vor der Abreise aus Mol-
Ort, unter anderem zu Helfern in cker. Einige in der Unterkunft hät- dawien fuhren die Helfer gemein-
einer Flüchtlingsunterkunft in der ten das Ziel gehabt, möglichst sam zur ukrainischen Grenze. „Dort
war die Stimmung natürlich eine
ganz andere“, sagt Baumhacker:
„Die Menschen waren in großen
SO KÖNNEN DIE MENSCHEN IM SAARLAND HELFEN Zelten untergebracht und warte-
ten dringend auf Gelegenheiten,
Wer den Menschen helfen will, die vor dem Krieg in der Ukraine auf der wegzukommen. Wir haben insge-
Flucht sind, kann dies auf verschiedene Weise tun. Saarländische Bürgerin- samt zwölf Menschen von der
nen und Bürger, die Wohnraum zur Verfügung stellen wollen, finden auf der Grenze mit in die Unterkunft nach
Webseite der Landesregierung die passenden Ansprechpartner für alle Moldawien genommen.“
hiesigen Kommunen. Derzeit werden auch Dolmetscherinnen und Dolmet- Auch nach der Ankunft im Saar-
scher gesucht. Auch wer Geld spenden möchte, findet auf dem Portal alle land habe sie das Erlebte immer
nötigen Angaben verschiedener Stellen. Auf der Seite des Freunde-Helfen- noch nicht realisieren können, sagt
Konvois können zudem Sachspenden angemeldet werden, die Ehrenamtler Nicole Baumhacker: „Wenn man
in die Ukraine fahren. Die Organisation sucht noch ehrenamtliche Fahrer. anpackt, denkt man nicht so viel
nach. Als ich die Hilfsbedürftigkeit
www.saarland.de/DE/portale/ukraine/helfen/helfen_node.html vor Ort gesehen habe, waren alle
www.freundehelfenkonvoi.de Bedenken, die ich während der
Fahrt hatte, sofort verflogen.“
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