Koalitionsvertrag der Bundesregierung mit viel Potential für Beschäftigte

Pressedienst vom

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält einige zentrale und überfällige Maßnahmen im Sinne der Beschäftigten – bleibt in der ersten Bewertung in zentralen arbeits- und sozialpolitischen Fragen jedoch hinter den Erwartungen zurück. Wichtig ist, dass die Bundesregierung die geplanten Vorhaben jetzt auch zügig umsetzt, damit sie Wirkung für die Beschäftigten erzielen können.

Mindestlohn & Tarifbindung – richtige Richtung, aber noch zu vage

Die geplante Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro bis 2026 ist ein positives Signal. Auch das angekündigte Bundestariftreuegesetz kann dazu beitragen, den Grundsatz „öffentliches Geld nur für gute Arbeit“ umzusetzen. Doch die Orientierung der Mindestlohnkommission an 60 Prozent des Bruttomedianlohns – eine langjährige Forderung der Arbeitskammer – bleibt unverbindlich, solange sie nicht im Mindestlohngesetz verankert wird. Das ist laut Koalitionsvertrag nicht vorgesehen.

Rückschritte beim Bürgergeld – Armutsrisiken steigen

Besorgniserregend ist die Rolle rückwärts beim Bürgergeld. Sanktionen werden verschärft, die Karenzzeit beim Vermögen gestrichen und der Vermittlungsvorrang wiedereingeführt. Die Versäumnisse bei der Inflationsanpassung verschärfen die Lage zusätzlich. Besonders betroffen: Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen, die aus dem System gedrängt werden. „Das ist weder gerecht noch wirtschaftlich sinnvoll“, betont Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes.

Arbeitszeit – Gefahr für Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Sorgearbeit/Gleichstellung

Kritisch sieht die Arbeitskammer auch die Pläne zur Arbeitszeit. Die vorgesehene wöchentliche Obergrenze von 48 Stunden untergräbt das Prinzip des 8-Stunden-Tags – eine zentrale Errungenschaft der Arbeitnehmerbewegung. „Gerade in Verbindung mit der Steuerbefreiung von Überstunden droht eine Verschärfung ungleicher Rollenmuster und eine zusätzliche Belastung für Menschen mit Sorgeverpflichtungen“, so Zeiger. Zudem widersprechen die Pläne zur Vertrauensarbeitszeit der EU-Vorgabe zur Arbeitszeiterfassung.

Mitbestimmung stärken – bleibt hinter Vorhaben der Ampel-Koalition

Positiv bewertet die Arbeitskammer die Stärkung der Mitbestimmung durch digitale Betriebsratsformate und steuerliche Anreize für Gewerkschaftsmitgliedschaft. In Zeiten von Digitalisierung und internationaler Vernetzung sind standortübergreifende Mitbestimmungsrechte unerlässlich. Die fehlen leider. Damit bleibt der Koalitionsvertrag weit hinter den ursprünglichen Vorhaben der Ampel-Koalition mit FDP-Beteiligung zurück (u.a. Stärkung der Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat, Missbrauch durch Wahl der Rechtsform SE, Kirchenrecht).

Bildung – gute Impulse, aber der große Wurf fehlt

In der Bildungspolitik setzt die Koalition einige richtige Akzente: Das erweiterte Startchancen-Programm, mehr Sprachförderung, Investitionen in Schulbau und eine BAföG-Reform sind zu begrüßen. „Doch das Kernproblem – der dramatische Fachkräftemangel – bleibt ungelöst. Ohne bessere Arbeitsbedingungen in Kitas und Schulen ist echte Bildungsgerechtigkeit nicht erreichbar“, mahnt Zeiger.

Pflege & Gesundheit – Entlastung ja, strukturelle Verbesserungen fehlen

Der geplante Transformationsfonds für Krankenhäuser, der nicht aus Kassenbeiträgen, sondern aus Infrastrukturmitteln gespeist wird, ist ein wichtiges Signal. Auch in der Pflege werden Reformen angestoßen – doch zentrale Forderungen wie Tarifbindung, verlässliche Personalstandards und mehr Mitbestimmung bleiben vage. Es dominiert der Blick auf Effizienz, nicht auf konkrete Entlastung im Arbeitsalltag.

Rente – Stabilisierung gut, aber unzureichend

Die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 ist ein wichtiger Schritt – ohne die Tricksereien vergangener Pläne. Doch das Ziel einer langfristigen Sicherung bis 2039, wie es die vorherige Regierung vorgesehen hatte, wurde aufgegeben. Positiv: Der abschlagfreie Renteneintritt nach 45 Jahren bleibt erhalten, die ausgeweitete Mütterrente wird steuerfinanziert.

Investitionen – Kommunen drohen unterfinanziert zu bleiben

Nur 20 % des 500-Milliarden-Investitionsfonds sind für Landes- und Kommunalinvestitionen vorgesehen – dabei erfolgen dort über 50 % der öffentlichen Investitionen. Für das Saarland würden von 100 Milliarden Euro nur rund 100 Millionen Euro übrigbleiben – das wären etwa 2 Millionen Euro je Kommune. Das ist deutlich zu wenig. Hier braucht es eine deutliche Aufstockung.

Die geplante Altschuldenregelung für Kommunen ist unzureichend: Allein saarländische Kommunen tragen 2,8 Milliarden Euro Schulden. Die bundesweite Entlastung von 250 Millionen Euro ist ein Placebo. Kommunen brauchen dauerhafte Unterstützung vom Bund – nicht nur bei Investitionen, sondern auch bei der Finanzierung laufender Aufgaben.

Schuldenbremse – Reform überfällig

Die zusätzlichen Kreditspielräume könnten dem Saarland jährlich 150 Millionen Euro bringen – ein wichtiger Schritt. Die angekündigte Reform der Schuldenbremse bis 2025 bleibt aber dringend nötig. Die Wiedereinführung der „Goldenen Regel“ – also Investitionen per Kredit ermöglichen – wäre der richtige Schritt.

Fazit

Beatrice Zeiger abschließend: „Die Koalition sendet richtige Signale – beim Mindestlohn, bei Bildung und bei Finanzen. Doch echte soziale Sicherheit und Zukunftsperspektiven für Beschäftigte brauchen mehr Mut: zu strukturellen Reformen, fairer Lastenverteilung und klaren Investitionszusagen für die, die den Wandel tragen.“

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