Die Arbeitskammer des Saarlandes bewertet den Koalitionsvertrag der Ampelparteien weitgehend positiv - vor allem in den Bereichen Arbeit und Industriepolitik. Auch in den Bereichen Bildung und Pflege gibt es einige wichtige Vorhaben. Schwachstellen des Vertrages sind hingegen vor allem das Festhalten an der Schuldenbremse und der mangelnde Mut für Änderungen in der Steuerpolitik.
Vor allem im Bereich Arbeit werden eine Reihe von Maßnahmen abgesprochen, die den Herausforderungen der Transformation Rechnung tragen. Die AK begrüßt ausdrücklich die beschlossene einmalige Anpassung des gesetzlichen Mindestlohnes auf zwölf Euro pro Stunde. „Mit der gesetzlichen Erhöhung, die über die bisherigen Anpassungen im Rahmen der Mindestlohnkommission hinaus geht, ist es möglich, den Mindestlohn armutsfest zu gestalten und den Niedriglohnsektor einzugrenzen“, betont Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes.
„Der Koalitionsvertrag setzt auch bei der Aus- und Weiterbildung die richtigen Schwerpunkte, etwa bei der Stärkung und Modernisierung der berufsbildenden Schulen und der Einführung einer Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht. Wir bedauern allerdings, dass im Koalitionsvertrag das Recht auf Weiterbildung fehlt. Damit würde ein individueller Rechtsanspruch auf Weiterbildung ermöglicht. Die Chance wurde leider vertan“, betont Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer.
Positiv zu werten sind auch die geplanten Regelungen zum Homeoffice. Vor allem die Maßnahme, dass Anträge auf Homeoffice von Arbeitgebern nicht sachfremd oder willkürlich abgelehnt werden können.
Bei sachgrundlosen Befristungen will der Bund mit gutem Beispiel vorangehen. „Hier müssen gleiche Regelungen auch auf Landesebene erfolgen, zumal eine Ausdehnung nur auf den öffentlichen Dienst beschränkt ist und nicht für die gesamte Wirtschaft gilt“, betont Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer. Die Verbesserungen beim Mindestlohn und bei den befristeten Beschäftigungen stehen allerdings einer Ausweitung der Minijobs gegenüber. „Die Ausnahmeregelungen von der täglichen Höchstarbeitszeit lehnen wir ebenfalls ab und fordern, dass die vom EuGH eingeforderte Dokumentation sämtlicher Arbeitszeiten umgesetzt wird“, so Thomas Otto.
Bei der Transformation der Wirtschaft beabsichtigen die Koalitionäre, im Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden eine Allianz für Transformation zu schmieden und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die Transformation zu besprechen. „Dieses Vorhaben ist vor dem Hintergrund enormer sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Veränderungen von zentraler Bedeutung, um den sozialen Zusammenhalt in der Transformation zu wahren“, betont Jörg Caspar.
Im Bereich Wirtschafts- und Industriepolitik enthält der Koalitionsvertrag weitere positive Festlegungen, die wichtige Anknüpfungspunkte für die saarländischen Schlüsselindustrien bieten. „Die Weiterentwicklung der Wasserstoffstrategie und die angekündigte zügige Umsetzung des IPCEI sind zentral für den Fortbestand der saarländischen Stahlindustrie. Zu begrüßen ist vor allem, dass Investitionen in Anlagen auch dann gefördert werden können, wenn noch nicht ausreichend grüner Wasserstoff für den Betrieb vorhanden ist. Nur so kann ein schneller Einstieg in eine wasserstoffbasierte Industrie gelingen“, sagt Thomas Otto.
Für die Transformation der Automobilindustrie wird der Fokus auf Elektromobilität gelegt. „Das stellt den Automobilstandort Saarland vor große Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass die Ansiedlung von SVOLT im Saarland gelingt“, sagt Jörg Caspar. Dann besteht die Chance, von Förderprogrammen im Bereich Batterietechnik zu profitieren und ein neues Cluster im Saarland entstehen zu lassen. „Diese Unterstützung sollte das Saarland – als existierende Automobilregion – vehement vom Bund einfordern, auch mit dem Argument, dass man alle vorhandenen Standorte braucht, um das Ziel von mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030 zu erreichen“, fordert Caspar.
Im Bereich Pflege und Gesundheit sind viele Forderungen in den Koalitionsvertrag aufgenommen, die von Seiten der Arbeitskammer des Saarlandes schon länger gestellt wurden. „Wir begrüßen vor allem die geplante Einführung der Personalbemessung auf der Grundlage der PPR 2.0 im Krankenhausbereich und den geplanten, beschleunigten Ausbau eines Personalbemessungsverfahren in der stationären Langzeitpflege. Wir hätten uns für Letzteres aber eine Konkretisierung gewünscht“, sagt Beatrice Zeiger. „Auch die Ankündigung eines steuerfreien Pflegebonus in Höhe von einer Milliarde Euro ist ein wichtiges Signal für die Beschäftigten, die durch die Corona-Pandemie besonders belastet sind“, so Zeiger.
Ein starkes Signal und die Realisierung einer zentralen Forderung der Arbeitskammer bei der Schulfinanzierung ist auch das Startchancen-Programm. Damit will die Ampel 4.000 Schulen fördern, die von besonders vielen sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen besucht werden. Allerdings fehlt im Bildungsbereich ein klares Bekenntnis zur Abschaffung des Kooperationsverbotes.
„Das Gute-Kita-Gesetze war bereits ein guter Anfang für die Entwicklung der frühkindlichen Bildung und Betreuung, das auch im Saarland zu wesentlichen Verbesserungen geführt hat, etwa beim Platzausbau und der Entlastung von Elternbeiträgen. Es ist gut, dass das Projekt fortgesetzt wird, denn jetzt gilt es auch bei der Qualität der Betreuung Verbesserungen zu erzielen. Eine seit längerem bestehende Forderung der Arbeitskammer. Die vereinbarte Überführung in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards kann ein weiterer bildungspolitischer Meilenstein werden“, sagt Thomas Otto.
Ebenfalls positiv bewertet Otto die Vereinbarung, einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg zu bringen. „Die Digitalisierung im Bildungsbereich ist eine Daueraufgabe, die auch dauerhaft finanziert werden muss. Wichtig ist auch, dass die Förderung durch den Bund entbürokratisiert werden soll. So werden wir hoffentlich auch im Saarland noch schneller vorankommen beim Ausbau der digitalen Bildung“, so Otto.
Angesichts des Festhaltens an der Schuldenbremse bleibt allerdings offen, wie die neue Bundesregierung ihre Vorhaben zur Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland umsetzen will. Der Fokus liegt vor allem auf privatem Kapital, um die nötigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen. „Privates Kapital fließt jedoch dahin, wo kurzfristig Profite zu erwarten sind, nicht unbedingt dorthin, wo es langfristig gesellschaftlich besonders wünschenswert ist. Die umfassenden Projekte werden deshalb weitere und dauerhafte Finanzierung auch von staatlicher Seite erfordern. Eine Reform der Schuldenbremse und Änderungen in der Steuerpolitik bleiben dagegen leider aus. Genauso wie eine Ausweisung des konkreten Investitionsbedarfs. Dies stellt die zentrale Schwachstelle im Koalitionsvertrag dar“, so Jörg Caspar abschließend.
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