Wie kann Rechtssicherheit für die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (BihG) hergestellt werden? Darüber diskutierte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus am Samstag in Saarbrücken mit Vertretern der Arbeitskammer des Saarlandes und des Sozialverband VdK Saarland sowie des Landtages, des Landkreistages und der Pflegekassen. Anlass war die Überreichung des gemeinsamen, bundesweit einmaligen Positionspapiers von VdK und AK, in dem konkrete Forderungen und Lösungsvorschläge vorgestellt werden.
Darin fordern die einflussreiche Arbeitnehmervertretung und der größte Sozialverband einen verbindlichen Rechtsrahmen für diese bisher prekäre Betreuungsform sowie einen Rechtsanspruch auf geregelte Arbeits- und Freizeiten, eine sozialrechtliche Absicherung mit einer fairen Entlohnung, die Einführung von Qualitätsstandards und die Einbeziehung dieser Betreuungsform in den Leistungsrahmen der Pflegeversicherung. Derzeit versorgen in Deutschland geschätzt 700.000 osteuropäische Betreuungskräfte rund 300.000 Pflegebedürftige zuhause – meist in ungeregelten Verhältnissen und ohne dafür Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten.
Staatssekretär Andreas Westerfellhaus nahm das Positionspapier dankend entgegen: „Die im vorgelegten Diskussionspapier dargelegten Analysen und Forderungen teile ich grundsätzlich. In einem eigenen Forderungspapier für eine selbstbestimmte Pflege, das ich im Mai veröffentlicht habe, ist es nachzulesen: die sogenannte 24-Stunden-Betreuung muss zu einem Megathema der Politik werden, mit dem Ziel, weder funktionierende Pflegesettings zu zerstören noch prekäre Arbeitsbedingungen und fragwürdige rechtliche Konstellationen zu tolerieren. Daher freue ich mich, dass mir dazu ein gutes Positionspapier übergeben wurde“, sagte Westerfellhaus.
Der VdK-Landesvorsitzende Armin Lang wies darauf hin, dass es aufgrund des Fachkräftemangels und dem Wunsch der meisten Pflegebedürftigen, zuhause versorgt zu werden, auf absehbare Zeit leider keine Alternative zur Betreuung durch osteuropäische Betreuungskräfte gebe. „Die Beschreibung der Notlagen und Ängste hilfebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen, aber auch die Vorschläge zur rechtssicheren Gestaltung dieser Versorgungsform liegen auf dem Tisch. Jetzt kann sich niemand mehr daran vorbeimogeln. Es muss gehandelt werden! Wir fordern Bundestag und Bundesregierung auf, schnellstens passende arbeitsrechtliche Regelungen zu erlassen und sicherzustellen, dass auch die Leistungen der Pflegeversicherung für diese Betreuungsform in Anspruch genommen werden können“, sagte Lang.
Die AK-Geschäftsführerin Beatrice Zeiger betonte, dass auch die Betreuungskräfte in den Haushalten brauchen dringend rechtssichere und geregelte Arbeitsverhältnisse brauchen. „Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (BihG) bedeutet, dass die Betreuungspersonen im betroffenen Haushalt stetig anwesend sind. Arbeits- und Ruhezeiten lassen sich so nicht streng voneinander trennen. Das führt unter den derzeitigen Regelungen zwangsläufig immer wieder zu arbeitszeitrechtlichen Verstößen. Außerdem muss die Qualität der Pflege auch im privaten Bereich gesichert sein. Die Betreuungspersonen brauchen im eigenen und im Interesse der von ihnen betreuten Menschen passende Weiterbildungsangebote. Und sie benötigen professionelle Begleitung, damit sie die Herausforderungen dieser schweren Arbeit auch bewältigen können“, so Zeiger.
Der Pflegebeauftragte des Saarlandes Jürgen Bender, der an der Ausarbeitung des Konzepts mitgewirkt hatte, warnte davor, dass immer mehr Familien ratlos seien und oft keine andere Wahl hätten, als ihre Angehörigen in ein Pflegeheim zu geben: „Wer jetzt noch nicht wach geworden ist, setzt sich nicht nur dem Vorwurf der Schläfrigkeit, sondern dem Vorwurf des Versagens aus. Wer die von uns gemeinsam formulierte Position für falsch hält, soll sagen, wie man es besser machen kann“, sagte Bender in einer schriftlichen Stellungnahme.
An dem Spitzengespräch im Großen Saal der Arbeitskammer nahmen der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Sozialausschusses im saarländischen Landtag, Magnus Jung und Hermann-Josef Scharf, der Vorsitzende des saarländischen Landkreistages Patrik Lauer und Jürgen Günther, Vorsitzender des Landesausschusses der Ersatzkassen (vdek) teil. Von Seiten der Arbeitskammer waren zudem der AK-Vorstandsvorsitzende Jörg Caspar und AK-Hauptgeschäftsführer Thomas Otto, von Seiten des VdK Saarland Landesgeschäftsführer Peter Springborn und Helga Setz, ehemalige Pflegestützpunkt-Geschäftsführerin und Co-Autorin des Konzepts. Weiterhin beteiligte sich der geschäftsführende Gesellschafter der Pflegeherzen GbR, Krystian Temi als anerkannter Leistungsanbieter in der häuslichen Betreuung an der Diskussion.
In ihrem Positionspapier fordern VdK und Arbeitskammer, dass die nächste Pflegereform auch die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft als Pflegesachleistung im Pflegeversicherungsrecht (SGB XI) anerkennt und mitfinanziert, um die Bezahlbarkeit auch für Normalverdienende zu ermöglichen. Derzeit gibt es dafür keinen eigenständigen Rechtsanspruch, so dass diese Hilfe nur anteilig aus dem Pflegegeld mitfinanziert werden kann, was für viele Pflegebedürftige nicht ausreichend ist. Um die Rechtsansprüche der Betreuungspersonen auf geregelte Arbeits- und Freizeiten sicherzustellen, bedarf die Betreuung durch osteuropäische Kräfte dem Konzept zufolge auch immer einer Ergänzung durch die Familien und durch professionelle Pflegedienste, die in einem individuellen Versorgungsplan geregelt werden muss.
Das Positionspapier zum Download:
https://www.vdk.de/saarland/downloadmime/5563/VDK_AK_BetreuungZuHause_Layout_web-FINAL.pdf
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