Das aktualisierte Gutachten zur Lehrkräfteversorgung bis 2035 von Prof. Dr. Klaus Klemm im Auftrag der Arbeitskammer zeigt: Das Saarland steht weiterhin vor erheblichen Herausforderungen in der Lehrkräfteversorgung. Denn der Lehrkräftebedarf bleibt hoch: Bis 2030 müssen jährlich durchschnittlich 358 neue Lehrkräfte eingestellt werden, bis 2035 im gesamten Jahresdurchschnitt immer noch 243 – allein um das derzeitige System aufrechtzuerhalten.
Während das Klemm-Gutachten im Primarbereich von leicht sinkenden Schülerzahlen ausgeht, bleiben die Bedarfe in der Sekundarstufe I und an Beruflichen Schulen im Prognosezeit-raum hoch bzw. steigen. Und: „Dringend notwendige Reformen, etwa für Inklusion oder den qualitativen Ganztagsausbau, sind darin noch nicht berücksichtigt“, erläutert Melanie Blatter, Leiterin der Abteilung Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Arbeitskammer. „Sollten in ein-zelnen Bereichen die Schülerzahlen tatsächlich langfristig sinken, muss dies als Chance genutzt werden, Strukturen zu verbessern – etwa für kleinere Klassen, individuelle Förderung oder Ganztagsausbau. Und in den Mangelbereichen wie den Beruflichen Schulen oder der Sekundarstufe I müssen wir schon jetzt deutlich nachlegen und nachpersonalisieren", so Blatter. Zudem könnten geopolitische Entwicklungen, Kriege und Fluchtbewegungen die Prognosen schnell überholen, wofür es laut Blatter auch einen Puffer braucht.
„Ein bloßer Erhalt des Status quo kann daher nicht unser Anspruch sein“, mahnt Max Hewer, Landesvorsitzender der GEW Saarland. „Wenn im Saarland laut IQB-Bildungstrends ein Drittel der Jugendlichen am Ende der Sekundarstufe I nicht den Mindeststandard im Lesen für den Mittleren Schulabschluss erreicht, dann sind wir hier offenbar nicht gut aufgestellt. Angesichts der notwendigen Transformation sind die schlechten Werte in den Kernkompetenzen alarmierend.“
Hewer ergänzt „Die Konkurrenz um Lehrkräfte wächst bundesweit. Höhere Unterrichtsverpflichtung und geringere Besoldung, um nur zwei Beispiele zu nennen, sind für das Saarland ein klarer Nachteil.“ Dazu kommt, dass das Saarland für viele Fachrichtungen im beruflichen Lehramt sowie in der Sonderpädagogik keinen grundständigen Studiengang anbietet. Hewer: „Wer langfristig genügend Lehrkräfte im Land halten will, muss auch die Ausbildung vor Ort sicherstellen.“
Attraktivere Studienbedingungen und gezielte Nachwuchsgewinnung erforderlich
Um den Bedarf zu decken, fordern AK und GEW bessere Studienbedingungen: Schätzungen zufolge brechen im Saarland 20 bis 30 Prozent der Lehramtsstudierenden ihr Studium ab – hier fehlen nicht nur gezielte Gegenmaßnahmen, sondern auch eine verlässliche Datengrundlage, um die Ursachen zu analysieren.
Auch die Orientierung für Studienanfänger*innen und Quereinsteiger*innen muss verbessert werden: „Statt klare Wege aufzuzeigen, sind Informationen oft verstreut und schwer auffindbar“, kritisiert Melanie Blatter. „Andere Bundesländer haben längst zentrale Plattformen entwickelt, die einen strukturierten Überblick über verschiedene Zugänge bieten – bis hin zu regelmäßig aktualisierten Bedarfsprognosen nach Schulformen und -fächern.“ Eine solche digitale Anlaufstelle unter 'Lehrkraft-werden-im-Saarland', kombiniert mit einer gezielten Kampagne, wäre eine einfach umzusetzende Maßnahme.“ Die GEW fordert zusätzlich einen Seiteneinstieg in den Lehrerberuf, um auch für Bewerber*innen mit fortgeschrittener Berufsbiografie attraktiv zu sein. „Im Unterschied zum Quereinstieg streckt sich der Vorbereitungsdienst für Seiteneinsteiger*innen zwar auf drei Jahren aber bei vollem Gehalt mit direktem Praxiseinsatz“, erläutert Max Hewer.
Mehr multiprofessionelle Teams zur Entlastung der Lehrkräfte
Neben mehr Lehrkräften braucht es weitere Fachkräfte für Schulen, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden: „Schulsozialarbeiter*innen, Schulpsycholog*innen, Sonderpädagog*innen in Regelschulen, Sprachförderkräfte sowie IT- und Verwaltungspersonal und Schulassistenzen sind längst keine Ergänzung mehr, sondern eine Notwendigkeit, um Lehrkräfte zu entlasten und Schüler*innen gezielt und umfassend zu fördern“, sagt Max Hewer.
„Wir brauchen eine Lehrkräftepolitik, die nicht nur auf Engpässe reagiert, sondern aktiv gestaltet“, betont Hewer. Blatter ergänzt: „Mehr Unterrichtsqualität und Bildungsgerechtigkeit gibt es nicht zum Nulltarif – hier sind Investitionen nötig. Das entscheidet sich auch in den Haushaltsberatungen.“
Forderungen von Arbeitskammer und GEW Saarland
- Ein struktureller Lehrkräftepuffer zur Absicherung von Unterrichtsausfällen und unvor-hergesehenen Entwicklungen.
- Ein schulscharfer Sozialindex für Lehrpersonal zur besseren Ausstattung von Schulen in herausfordernden Lagen.
- A13 für alle Lehrkräfte sowie attraktive Arbeitsbedingungen, Entwicklungs- und Beförderungsmöglichkeiten, um das Saarland im Wettbewerb um Fachkräfte konkurrenzfähig zu halten.
- Den Ausbau der Lehrkräfteausbildung im Saarland sowie Einrichtung von Lehramtsstudien für Inklusions-/Sonderpädagogik.
- Bessere Begleitprogramme im Lehramtsstudium zur Senkung der Abbruchquoten.
- Ein gezieltes Programm zur Lehrkräftegewinnung mit besserer Sichtbarkeit und einer aktiven Kampagne.
- Ein Ausbau der Schulsozialarbeit nach dem 1:150-Standard.
- Mehr nicht-pädagogisches Fachpersonal an Schulen (IT-Fachkräfte, Verwaltungs- und Schulassistenzpersonal), um Leitungen und Lehrkräfte von fachfremden Aufgaben zu entlasten.
Download des Gutachtens:
Klaus Klemm: Lehrkräftebedarf an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen sowie Förderschulen im Saarland bis 2035. Ein Gutachten im Auftrag der Arbeitskammer des Saar-landes, Saarbrücken/Essen, Februar 2025 (Reihe AK-Texte).
Link: www.arbeitskammer.de/lehrkraefte
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