Kitas sind am Limit – zu wenig Personal und hohe Ausfallzeiten – Fachkräfteoffensive und Entlastungen der Beschäftigten sind Gebot der Stunde

Pressedienst vom

Das heute von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte ‚Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2024‘ zeigt deutlich, wie unzureichend die Personalausstattung auch in den saarländischen Kitas ist. „Betreuungsbedarfe können mit dem aktuellen Personal nicht gedeckt werden. Das heißt, die Bildungsbeteiligung der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft sinkt drastisch“, betont Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes. „Entlastungsmaßnahmen und Strategien zur Fachkräftegewinnung sind deshalb das Gebot der Stunde. Denn wenn sich die Arbeitsbedingungen in den Kitas nicht verbessern, wird der Beruf unattraktiv für junge Menschen und der Fachkräftemangel wird sich noch verschärfen“, so Caspar. Allerdings kann ohne eine stetige finanzielle Beteiligung des Bundes der Bildungs- und Betreuungsauftrag der Kindertageseinrichtungen nicht gewährleistet werden. „Investitionen in das Bildungssystem sind elementar, um den Fachkräftebedarf von morgen decken zu können. Deshalb muss der Bund sich auch über das Jahr 2026 bei den Kosten der frühkindlichen Bildung beteiligen“, betont Caspar.

„Pädagogische Fachkräfte stellen sich tagtäglich in den Dienst unserer Gesellschaft. Sie bilden das Fundament für eine gelingende Bildungsbiografie junger Menschen und ermöglichen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch dürfen wir uns nicht wundern, wenn viele von ihnen angesichts zunehmender Arbeitsbelastungen das Feld vorzeitig verlassen“, mahnt Caspar. Häufige Ausfallzeiten, etwa durch sehr hohen Krankenstand, verschärfen die Situation zusätzlich, da Vertretungskräfte oft fehlen und die Belastung des verbleibenden Personals weiter steigt. Allein um die hohen Ausfallzeiten zu kompensieren, braucht es laut Bertelsmann Stiftung bereits jetzt 1.056 zusätzliche Vollzeitstellen.

Zudem sind auch im Saarland ungünstige Personalschlüssel an der Tagesordnung. Aktuell werden 70% der unter Dreijährigen im Saarland in Gruppen mit nicht kindgerechten Personalschlüsseln betreut. Bei den Drei- bis Sechsjährigen sind es sogar 77% – 13% mehr als im Bundesschnitt. Im Saarland liegt der Personalschlüssel in Krippengruppen derzeit bei 1:3,9 (empfohlen: 1:3) und in Kindergartengruppen ab 3 Jahren bei 1:9,3 (Empfehlung: 1:7,5). „Darunter leidet nicht nur die Qualität der pädagogischen Interaktionen. Die Beschäftigten geraten regelmäßig an ihre Belastungsgrenzen “, stellt Caspar fest.

Eine Befragung der Bertelsmann Stiftung ergab, dass rund ein Viertel der Beschäftigten die Wahrscheinlichkeit, das Berufsfeld kurz- bis mittelfristig verlassen zu wollen, mit 80% und höher beziffert. „Ein alarmierender Befund, der verdeutlicht: Wir müssen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Erziehungsberufe priorisieren. Der derzeitige personelle Verschleiß ist unvertretbar. Es braucht dringend Lösungsansätze, um den Arbeitsplatz Kita wieder attraktiver zu machen. Eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte frühkindliche Bildung kann nur gewährleistet werden, wenn der Sicherung und Gewinnung von Fachkräften höchste Priorität eingeräumt wird“, so Caspar. Dies ist zum einen über attraktive Ausbildungsbedingungen – wie etwa die vergütete praxisintegrierte Ausbildung, die allen offenstehen sollte – zu realisieren.

Auch Möglichkeiten zur Höherqualifizierung der bereits im Feld Tätigen ist ein Thema. Zu beobachten ist, dass die Qualifikationsniveaus der Beschäftigten zwischen 2014 und 2023 weitestgehend stabil geblieben sind. Den Großteil bilden nach wie vor Erzieher*innen (67,7%), der Anteil derer mit einschlägigem Hochschulabschluss ist zwar deutlich gestiegen, stellt jedoch weiterhin eine Minderheit (2023: 4,4% im Vergleich zu 2014: 2,6%) dar. Der Anteil der Kinderpfleger*innen ist im Saarland nach wie vor hoch (16%). „Hier braucht es Anreize, sich weiter zu qualifizieren, um Karrierewege in der Kita zu eröffnen“, so Caspar.

Obwohl es in der Zeit von 2014 bis 2023 einen Zuwachs der Beschäftigten in saarländischen Kitas und Horten von 28,6% gegeben hat, besteht weiterhin eine eklatante Lücke zwischen den Betreuungsbedarfen der Eltern und deren tatsächlicher Deckung. Im März 2023 hatten gerade einmal 33% der U3-Kinder einen Betreuungsplatz. Die Bildungsbeteiligung der Kinder von 3 bis 6 Jahren lag bei nur noch 88%. Beide Quoten fallen um 3% ungünstiger aus als auf Bundesebene.  Weitere Studien belegen überdies, dass gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien trotz Betreuungswunsch ihrer Eltern deutlich seltener einen Kita-Platz bekommen. „Bereits hier zeigt sich eine besorgniserregende Bildungsbenachteiligung,“ stellt Caspar fest. Die Bertelsmann Stiftung prognostiziert dem Saarland einen zusätzlichen Bedarf von 4.100 Fachkräften bis 2030. „Mit dem Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung in der Grundschule ab dem Schuljahr 2026/27 dürfte sich der Mangel an pädagogischem Personal nochmals verstärken“, prognostiziert Caspar.

Um die angespannte Situation in den Kitas nachhaltig zu verbessern, braucht es deshalb sowohl kurz- als auch langfristige Ansätze. Hierzu zählen die Entlastung von nicht primär pädagogischen Tätigkeiten – etwa durch Hauswirtschaftskräfte – im Kitaalltag sowie eine breit angelegte Fachkräfte-Offensive mit Maßnahmen zur Personalbindung und der Ausbau der Plätze für die vergütete praxisintegrierte Ausbildung. 

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