„Die Gleichstellung der Frauen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft dürfen wir nach der Coronakrise nicht aus dem Auge verlieren“, sagt Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes. „Bereits sehr früh in der Krise hat sich abgezeichnet, dass Frauen und Männer in alte Rollenbilder zurückfallen. Mittlerweile gibt es belegbare Hinweise und Statistiken dafür. Hier wollen wir als Arbeitskammer in den nächsten Monaten bis zur Landtagswahl im Frühjahr 2022 mit einer Kampagne zur Gleichstellung aktiv gegensteuern“, so Zeiger. Die Arbeitskammer wird gemeinsam mit KooperationspartnernInnen auf die Lage der Frauen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft aufmerksam machen – in Veranstaltungen, Konferenzen, Publikationen und auf Facebook.
Eine erste Veranstaltung ist das Bar Camp Frauen Saar, das sich am Samstag, 6. November, online den Themen „Körper - Care – Karriere“ widmet und bei dem die AK aktiv teilnimmt. Gemeinsam mit dem Frauenrat Saarland zeigt die AK sodann im Rahmen des Frauenthemenmonats am Montag, 15. November, 18 Uhr, die Dokumentation „Die Kundin“ über Marlies Krämer – online als bundesweiter Stream. Außerdem ist am Mittwoch, 8. Dezember, die bundesweit bekannte Autorin und Kolumnistin Teresa Bücker (online) zu Gast. Mitte Dezember führt die AK zudem eine große zweitägige Konferenz mit den saarländischen Frauenbeauftragten durch. „Im neuen Jahr werden wir dann u.a. zusammen mit dem Frauenrat Saarland die Spitzenkandidaten/-innen für die Landtagswahl im Saarland dazu auffordern, sich in kurzen Videos zur Gleichstellung zu äußern“, so Zeiger.
Warum macht die Arbeitskammer das alles? Während der vergangenen anderthalb Jahren war die Belastung von Frauen übermäßig hoch. Vor allem im Gesundheitswesen aber auch im Einzelhandel und im Reinigungsgewerbe waren es insbesondere die Frauen, die bei gleichzeitig hohem gesundheitlichem Risiko häufig noch mehr beansprucht waren als bisher. Ähnlich war es im privaten Bereich. Homeschooling der Kinder und Homeoffice der Eltern führten zu einer weiteren Verschiebung der Sorgearbeiten hin zu den Frauen – die auch vorher schon nachgewiesen stärker dafür zuständig waren. Daten aus dem Juni 2021 zeigen, dass die Verteilung der unbezahlten Arbeiten bis dahin weiterhin einseitig verschoben blieb.
Dazu schränkten die Frauen ihre Arbeitszeiten im Beruf ein, um den Herausforderungen begegnen zu können. Forschungsergebnisse vom IAQ (Institut Arbeit und Qualifikation) belegen, dass sich die Arbeitszeitdifferenz zwischen Männern und Frauen seit 2013 zum ersten Mal wieder erhöht hat. „Die Daten zeigen, dass in Krisenzeiten die Gefahr besteht, dass Frauen und Mütter wie selbstverständlich auf Kosten von Rentenansprüchen, beruflicher Weiterbildung und Karriereoptionen in alte Rollenbilder zurückgedrängt werden“, sagt Beatrice Zeiger.
Ein Bereich, in dem die Coronafolgen ungebremst durchschlugen, sind die Minijobs. In dieser ohnehin schon nicht abgesicherten Beschäftigungsform, die zu weiten Teilen von Frauen ausgeübt wird, ging die Zahl der Arbeitsplätze im Saarland massiv zurück (-5.800 im Jahr 2020). „Es wird höchste Zeit, die Minijobs abzuschaffen, und nicht weiter durch eine Erhöhung der Verdienstgrenzen ihre Attraktivität zu erhöhen!“, fordert Bettina Altesleben, Geschäftsführerin der DGB Region Saar. „Wir werden uns dafür auch weiterhin vehement einsetzen und deshalb auch an der Kampagne der AK mitwirken!“
Ein weiterer Hinweis auf Langzeitwirkungen für die Gleichstellung liefert eine aktuelle Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Anteil der Väter von jungen (betreuungsbedürftigen) Kindern, die zuvor eine stark auf Gleichstellung ausgerichtete Haltung zeigten, ist demnach seit der letzten Befragung im Jahr 2016 um 10 % gesunken. Anders ausgedrückt: Die Väter haben ihre bisher egalitären Ansichten zu Geschlechterrollen teilweise revidiert. „Wie wichtig die partnerschaftlichen Einstellungen zur Erwerbsarbeit beider Elternteile sind, zeigen uns die Erfahrungen unserer Mitgliedsverbände“, sagt Eva Groterath, Vorsitzende des Frauenrat Saarland, der die Kampagne der Arbeitskammer unterstützt. „Wir müssen dringend gegensteuern, um in den Familien die Bedeutung einer gleichberechtigen Arbeitsteilung und einer eigenständigen Existenzsicherung von Frauen stärker ins Bewusstsein zu bringen.“
Auch wenn gleichzeitig die Erwerbsneigung von Müttern generell weiter steigt (Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bis 2018), so muss doch befürchtet werden, dass es zu einem gewissen Entmutigungseffekt für Frauen und gerade für Mütter kommt, die die anstrengenden Coronaerfahrungen hinter sich haben. „Wir müssen verhindern, dass diese Frauen sich in die sogenannte stille Reserve des Arbeitsmarktes zurückziehen!“ sagt Beatrice Zeiger.
Hier ist die AK selbst aktiv mit der bei ihr angesiedelten Netzwerkstelle Frauen im Beruf (FiB). Deren Ziel ist es, die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen. „Gerade in den vergangenen Monaten wurde ein hoher Beratungsbedarf bei den regionalen Beratungsstellen für Frauen in den Landkreisen deutlich. Die Arbeit dieser Stellen und der dazu gehörigen FiB kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden!“, lobt Zeiger.
„Auf all diese Themen muss in naher Zukunft ein besonderes Augenmerk gelegt werden, sonst besteht die Gefahr, dass sich die bereits vor der Krise existierenden Ungleichheitsstrukturen verschärfen und es damit auch langfristig zu einer wachsenden Ungleichheit zwischen den Geschlechtern kommt“, so die AK-Geschäftsführerin abschließend.
zurück zurück