„Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition bleibt hinter den selbst gesteckten Erwartungen an eine Weiterentwicklung der Mitbestimmung zurück“, kritisiert Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes. Zwar betonen die Koalitionäre, dass die sozial-ökologische Transformation und die Digitalisierung nur mit den Beschäftigten wirksam gestaltet werden können. „Daran gemessen wirkt die Agenda, trotz positiver Einzelaspekte, aber insgesamt zu defensiv“, so Caspar.
„Ziel muss es nach wie vor sein, den politischen Stillstand bei der Mitbestimmung zu beenden. Für eine soziale Gestaltung der Transformation bedarf es echter Reformvorhaben seitens der Politik, auch bei der Mitbestimmung. Dazu gehören Initiativrechte bei der Weiter- und Ausbildung sowie eine Stärkung der wirtschaftlichen Mitbestimmung. Der Koalitionsvertrag liefert an der Stelle zu wenig“, sagt Caspar.
Es gibt aber auch einige Maßnahmen, die ein Bekenntnis zur Mitbestimmung sind. Etwa die Ankündigung, Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben zu verschaffen. „Wenn jetzt auch noch Online-Betriebsratswahlen zugelassen werden, würde das eine wichtige Lücke schließen. Das soll jedoch nur in einem Pilotprojekt überprüft werden. Angesichts der bevorstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2022 ist das zu knapp“, so Caspar.
Gut ist auch, dass bei der Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat ein beliebtes Schlupfloch für die Umgehung der Mitbestimmung geschlossen wird: die Umwandlung in die europäische Rechtsform der SE (Societas Europaea). Dieses Vehikel wird von Arbeitgebern gerne genutzt, um die deutsche Unternehmensmitbestimmung auszuhebeln. Künftig soll weiterhin die deutsche Unternehmensmitbestimmung greifen, selbst bei Umwandlung in eine europäische Rechtsform. Wünschenswert wäre hier sogar eine Ausweitung der Montanmitbestimmung auf Unternehmensebene. „Die Montanmitbestimmung hat sich gerade im Strukturwandel bewährt“, so Caspar.
Auch wird die Be- und Verhinderung von Betriebsräten jetzt als Offizialdelikt eingeordnet. Staatsanwaltschaften müssen künftig bei hinreichendem Anfangsverdacht automatisch ermitteln. „Damit ist klar, dass die Behinderung von Betriebsratswahlen und Betriebsratstätigkeiten empfindliche Strafen nach sich ziehen kann. Vor dem Hintergrund vielfältiger Verhinderungspraktiken war dieser Schritt längst überfällig“, so Caspar.
„Trotz dieser positiven Ansätze ist gerade das Fehlen weitergehender Mitbestimmungsrechte im Koalitionsvertrag nicht nur inkonsequent im Sinne von „mehr Fortschritt wagen“ – es ist ein echtes Manko. Gerade die Betriebsräte als Anwälte der Beschäftigteninteressen im Zuge der Transformation hätten durch eine Modernisierung der Mitbestimmung in ihren Rechten deutlich gestärkt werden können.“ Eine Chance bietet die geplante Evaluierung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes. „Dieser Schritt ist zwar notwendig, greift aber zu kurz. Die Evaluierung sollte stattdessen auf die Betriebsverfassung insgesamt ausgeweitet werden“, fordert Caspar abschließend.
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