Gemeinsame PM von Arbeitskammer, ver.di und GEW Saarland
Die Zahl der Beschäftigten in der frühen Bildung und Betreuung ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Der prozentuale Anstieg fiel dreimal höher aus als in der deutschen Gesamtwirtschaft. ABER: „Trotzdem kann der Bedarf an Fachkräften auch im Saarland nicht gedeckt werden“, sagt Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer. „Wir wissen, dass allein bis zum Jahr 2025 im Saarland rund 1.600 Erzieher*innen fehlen werden – Tendenz steigend. Hinzu kommt der Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder ab 2026“, mahnt Otto. Es gibt also nicht genügend Fachkräftenachwuchs. Und: Kita-Beschäftigte arbeiten mehrheitlich in Teilzeit. Damit sich dieser Fachkräftemangel nicht noch weiter verschärft, sind attraktivere Arbeitsbedingungen nötig. „Es braucht mehr denn je Maßnahmen, die die Fachkräfte entlasten. Außerdem müssen die finanziellen Mittel des Kita-Qualitätsentwicklungsgesetzes abgesichert und verstetigt werden. Das läuft nämlich bereits 2025 aus“, fordert Otto.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie „Nur Teilzeit in Kita? (TeKit)“ der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) zeigen: Bundesweit arbeiten rund 77 % der Fachkräfte in Teilzeit. Damit ist Teilzeit die vorherrschende Arbeitsform im Kita-Bereich. Zugleich ist das Potenzial zur Aufstockung marginal ‒ fast die Hälfte der Befragten will sogar weiter reduzieren, nur 7 % würden aufstocken.
Grund dafür sind die schlechten Arbeitsbedingungen. Zu den Hauptbelastungsfaktoren gehören laut Studie Personalengpässe bei gleichzeitig steigendem Betreuungsbedarf und wachsenden Anforderungen an das Personal. Die Analysen zeigen zudem, dass gerade Beschäftigte — und hier vor allem Mütter — mit Kindern im Grundschulalter ihren Erwerbsumfang aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten reduzieren. Angesichts des sehr hohen Frauenanteils im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung (94 %) ist dies ein doppeltes Dilemma. Denn die Vereinbarkeitsfrage schlägt sich direkt auf die Arbeitszeit nieder. „Diese Ergebnisse sind alarmierend. Jetzt braucht es zielgerichtete Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung. Einen Verlust erfahrener Fachkräfte durch weitere Arbeitszeitreduktion oder gar Verlassen des Berufes können sich die Verantwortlichen nicht leisten“, warnt Otto.
Max Hewer, Vorsitzender GEW Saarland, zu den Ergebnissen der TeKit-Studie: „Wir haben nicht viel erwartet, aber das ist schon erschreckend. Anstatt einer Chance, dass die Beschäftigten in den Kitas ihre Arbeitszeit aufstocken könnten, sehen wir nun, dass fast die Hälfte noch weniger arbeiten will – auch aufgrund der hohen Belastungen. Die Arbeitsbedingungen müssen dringend verbessert werden, um einer weiten Reduzierung der Arbeitszeit entgegenzuwirken.“
Andreas Thiel, Gewerkschaftssekretär, ver.di Region Saar-Trier: „Die Ergebnisse der Studie sind ein klares Warnsignal. Auch wenn der hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigung zum Fachkräftemangel mit beiträgt, wäre es doch fatal, die Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung in diesem Bereich einzuschränken. Einer der Hauptgründe warum die Kolleg*innen ihre Stunden reduzieren wollen ist doch die enorme körperliche und psychische Belastung. Um den Fachkräftemangel nachhaltig zu bekämpfen, müssen wir das Berufsfeld attraktiver gestalten. Mehr Entlastung durch feste Vor- und Nachbereitungszeiten, festgelegte Zeiten für Praxisanleitung und die Ausweitung der vergüteten Erzieher*innen Ausbildung sind nur einige Beispiele wie das langfristig gelingen kann.“
Die Autor*innen der Studie empfehlen unter anderem, die Entlohnung an die anderer pädagogischer Berufsgruppen wie etwa der Grundschullehrkräfte anzugleichen. Eine flächendeckende Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation sowie besondere Personalschlüssel für Kitas in sozialen Brennpunkten könnten Erzieher*innen entlasten und gleichzeitig die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessern. Weitere Vorschläge sind konsequente Freistellungen für Kita-Leitungen, Entlastung durch Sachbearbeitung oder Büroassistenz, eine eigene Entgeltgruppe und Funktionszulagen für Führungstätigkeiten, um Leitungspositionen attraktiver zu machen. Denkbar wäre auch, pädagogische Berufe generell als systemrelevant anzuerkennen und den Beschäftigten einen Vorrang bei der Vergabe von Betreuungsplätzen für eigene Kinder einzuräumen.
Damit das erreicht werden kann, ist es wichtig, dass die Mittel aus dem Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz abgesichert und verstetigt werden. „Die Investitionen müssen sogar angehoben werden — gemessen am Wert der frühen Bildung für die Gesellschaft und der Erwerbstätigkeit von Erziehenden. Hier sind Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in der Pflicht,“ fordert Otto.
Auch Max Hewer von der GEW fordert mehr Geld für den frühkindlichen Bereich: „Die Ampelregierung muss in ihrem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr die dringend benötigten Mittel für das Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz bereitstellen und zwingend in die frühkindliche Bildung investieren.“
Hintergrund zur TeKit-Studie:
Die Studie gibt erstmals fundierte Einblicke in Zahlen und Gründe für Teilzeit in Kitas. Ziel der Studie war es, herauszuarbeiten, ob im frühkindlichen Bereich Potenziale zum Aufstocken von Arbeitszeit bestehen. Befragt wurden 1.215 Personen aus vier Bundesländern (Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern). Gute Rücklaufquoten wurden im Saarland und in Rheinland-Pfalz erzielt. Autor*innen der Studie sind Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig und Prof. Dr. Bernhard Kalicki von der Evangelischen Hochschule Dresden.
Weimann-Sandig, Nina; Kalicki, Bernhard: Nur Teilzeit in der Kita?
Forschungsförderung Working Paper, Düsseldorf (Mai 2024), 68 Seiten, online unter:
https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=10099
Und hier können Sie auch das PDF direkt öffnen:
Nur Teilzeit in der Kita? - Hans-Böckler-Stiftung (boeckler.de)