Die Arbeitskammer des Saarlandes analysiert in ihrer neuen Reihe „Aus der Beratungspraxis“ die Rechtsprechung und deren Folgen für die Beschäftigten. Heute geht es um das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (§ 288 BGB) – speziell um den Absatz 5. Der sieht nämlich eine Verzugspauschale von 40 € vor. Lange war in der Praxis und Rechtsprechung umstritten, ob diese Vorschrift auch auf Arbeitsverhältnisse anwendbar ist. Verschiedene Landesarbeitsgerichte haben dies zu Recht bejaht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht es anders und hat, für die Arbeitskammer überraschend, die Anwendung auf das Arbeitsverhältnis ausgeschlossen. „Aus Arbeitnehmersicht muss der Gesetzgeber hier dringend nachbessern“, fordert Beatrice Zeiger, Geschäftsführerin der Arbeitskammer des Saarlandes. Der Anwendungsbereich von § 288 Abs. 5 BGB sollte sich auch auf Arbeitsverhältnisse erstrecken. „Es gibt sehr viele Arbeitnehmer, die ihren Lohn unpünktlich oder unvollständig erhalten. Diese Arbeitnehmer sind häufig schutzlos der schlechten Zahlungsmoral der Arbeitgeber ausgesetzt. Finanzielle Nachteile für säumige Arbeitgeber entstehen kaum, während den Beschäftigten die Lebensgrundlage ganz oder teilweise entzogen wird!“
In der Beratungspraxis wenden sich sehr häufig Ratsuchende an die Arbeitskammer, deren Arbeitgeber das Gehalt deutlich nach dem Fälligkeitstermin oder gar nicht zahlen. „Unsere Beraterinnen und Berater stoßen da sehr schnell an faktische Grenzen. Denn bis auf ein in der Regel fruchtloses, außergerichtliches Mahnschreiben existiert keine Möglichkeit, den Arbeitgeber schnell zu einer pünktlichen Zahlung oder überhaupt zur Zahlung zu bewegen. Es bleibt oft nur der Klageweg. Denn selbst wenn man offene Lohnforderungen einklagt, dauert das Verfahren zunächst Monate und der Arbeitgeber riskiert regelmäßig nur, das zahlen zu müssen, wozu er von Anfang an verpflichtet war. Zusätzliche Kosten entstehen ihm kaum, so dass die Zahlungsmoral kaum verbessert wird – während Arbeitnehmer gerade angesichts massiv steigender Lebenshaltungskosten auf jeden Cent angewiesen sind“, so Zeiger.
Einen gewissen Druck auf den zahlungsunwilligen Arbeitgeber würde eine Anwendung des am 1.7.2016 eingeführten Absatz 5 von § 288 BGB ausüben: Für jeden Fall der unpünktlichen Zahlung kann vom Schuldner (dem Arbeitgeber) demnach zusätzlich ein pauschaler Schadenersatz in Höhe von 40 € gefordert werden. Ohne diese Sanktionsmöglichkeit gibt es für Arbeitgeber oft keine zusätzlichen Nachteile, wenn sie sich auf Kosten der Beschäftigten praktisch einen zinslosen Kredit gewähren und letztendlich nur die ursprünglich geschuldeten Beträge mit Verspätung auszahlen.
Etliche Arbeitgeber sind nicht sonderlich motiviert, unbedingt pünktlich oder vollständig zu zahlen, wenn es kein finanzielles Risiko bedeutet, sich bei der Auszahlung Zeit zu lassen oder gar eine gerichtliche Geltendmachung durch die Betroffenen abzuwarten. Wohingegen sie sich ungern der Gefahr von Zusatzkosten einer Verzugspauschale von 40 €, die ggfs. monatlich anfällt, aussetzen. Das gilt umso mehr, wenn monatlich nur kleinere Beträge des Lohnes (zu Unrecht) einbehalten werden, die für die Beschäftigten jedoch schmerzhafte Verluste bedeuten. Vor allem in diesen Fällen kommt der Arbeitgeber meist ungeschoren davon, da der Arbeitnehmer den Weg zu Gericht wegen des geringen Nutzens im Verhältnis zum zeitlichen und finanziellen Aufwand scheut.
Die Verzugspauschale von 40 € war deshalb gerade für Arbeitnehmer oft das einzige Druckmittel, den Arbeitgeber (auch zukünftig) zu pünktlichen Zahlungen zu bewegen und so auch einen Rechtsstreit bereits im Vorfeld zu vermeiden, zumal sie recht unkompliziert geltend gemacht werden konnten. Durch das Urteil des BAG wurde den Arbeitnehmern diese Möglichkeit dauerhaft entzogen. Ihnen bleibt erneut nur der Klageweg. Die Arbeitnehmer müssen häufig für die Zeit bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens an die Sozialbehörden verwiesen werden, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und bei wiederkehrenden Zahlungsverzögerungen seitens des Arbeitgebers beginnt das Spiel von neuem.
Angesichts des Machtgefälles im Arbeitsverhältnis und vor allem wegen der existenziellen Bedeutung von Lohn- und Gehaltsansprüchen für die Betroffenen ist es dringend notwendig, die Anwendbarkeit der Verzugspauschale auch für Arbeitsverhältnisse anzuordnen. „Daher fordern wir den Gesetzgeber auf, § 288 Abs. 5 BGB zu ergänzen. In der Gesetzesbegründung wurde der Anwendungsbereich auf Arbeitsverhältnisse nicht ausdrücklich ausgenommen – allerdings auch nicht explizit darauf bezogen. Das muss der Gesetzgeber klarstellen!“, so Zeiger abschließend.
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