Die Arbeitskammer des Saarlandes lehnt die auf Bundesebene angedachten Lockerungen der täglich möglichen Höchstarbeitszeit auf bis zu mehr als 10 Stunden ab. „Spätestens die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Beschäftigten auch bisher schon ihre Arbeitszeiten sehr flexibel einteilen. Dazu braucht es nicht noch zusätzliche Lockerungen“, sagt Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer.
Im Sondierungspapier der geplanten Koalition auf Bundesebene gibt es Bestrebungen, das bestehende Arbeitszeitgesetz zu lockern. Vor allem seitens der FDP wird vorgeschlagen, die tägliche Höchstarbeitszeit ansteigen lassen zu dürfen. Die Rede ist von „begrenzten Möglichkeiten“, innerhalb derer Abweichungen möglich sein sollen. Man verspricht sich mit diesen Abweichungen mehr Erleichterungen und Flexibilität, insbesondere im Zusammenhang mit der zunehmenden Digitalisierung und dem wachsenden Anteil von Arbeit im Homeoffice. „Ausreichende Flexibilität wird aber auch heute schon realisiert, auch und gerade dort, wo es mitbestimmte Arbeitszeiterfassungen mit Gleitzeitregelungen gibt“, betont Thomas Otto.
„Statt die Arbeitszeit weiter zu flexibilisieren, sollte endlich die bereits 2019 beschlossene Verpflichtung des Europäischen Gerichtshofs umgesetzt wird. Demnach müssen Arbeitgeber in der EU die kompletten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten erfassen“, fordert Otto. Dieses Urteil wurde von der Arbeitnehmerseite sehr positiv aufgenommen. Es bietet die Chance, Beschäftigte in Zukunft besser vor Überlastung und Ausbeutung zu schützen. Und das auch in Betrieben ohne Mitbestimmung.
Bisher ist das Urteil in Deutschland aber in die Praxis nicht umgesetzt worden. „Aktuell steigt in vielen Bereichen die Zahl der Überstunden. Und das auch außerhalb der von der Pandemie betroffenen Gesundheitsdienstleistungen und auch im Zusammenhang mit dem wachsenden Arbeitskräftemangel. Das zeigt, wie notwendig dieses EuGH-Urteil für die betriebliche Praxis ist”, so Otto.
Das belegt auch eine aktuelle Umfrage der Hans Böckler Stiftung. Beschäftigte können durch die Erfassung der Arbeitszeit und die Begrenzung von Arbeitszeit im bisherigen Rahmen vor ausufernden und gesundheitsgefährdenden Arbeitszeitverlängerungen geschützt werden. Dies gilt auch gerade für diejenigen, die mobil arbeiten. Nach dieser Studie leisten Beschäftigte ohne eine solche Zeiterfassung im Homeoffice nicht nur mehr Überstunden, sie sind auch weniger erholt. Auch dem Phänomen der Entgrenzung der Arbeitszeit kann man mit genauer Zeiterfassung besser begegnen.
Und es geht auch um Fragen des Arbeitsschutzes. Der Alltag vieler Beschäftigten ist durch verschiedene Belastungen und Gefährdungen gekennzeichnet, bei denen der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle spielt. So ist etwa beim Umgang mit Gefahrstoffen oder Lärm der Grenzwert an Arbeitszeit in der Regel auf acht Stunden festgesetzt. „Ein Überschreiten der täglichen Arbeitszeit wäre in solchen Arbeitsbereichen zwangsläufig mit einem erhöhten Risiko verbunden, berufsbedingt ernsthaft zu erkranken. Schon der bisherige Arbeitsschutz ist in vielen Betrieben (immer noch) defizitär – umso schwerwiegender würde sich dies bei längeren Arbeitszeiten auswirken”, so Otto.
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