Knapp 90.000 Menschen arbeiten in den Industriebetrieben im Saarland, der Großteil davon in den Schlüsselindustrien Fahrzeugbau, Maschinenbau oder Stahlerzeugung und Metallverarbeitung. „Die industriellen Kernbereiche sind das Rückgrat der saarländischen Wirtschaft. Diese Arbeitsplätze sind mehrheitlich tarifgebunden, haben Mitbestimmungsstrukturen durch Betriebsräte und in Teilen sogar durch Aufsichtsräte. Sie sind gekennzeichnet durch gute Arbeitsbedingungen, einen starken Arbeits- und Gesundheitsschutz, geregelte Arbeitszeiten und eine gute Entlohnung. Und auch viele Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftsbereichen, im Handwerk und dem Dienstleistungssektor, sind von der Industrie abhängig. Deshalb ist ganz klar: Wir müssen und wir wollen deshalb Industrieland bleiben“, betont Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes, beim AK-Kongress „Transformation – die Zukunft des Industriestandortes Saarland“ am Dienstag, 28. Mai, in der Saarbrücker Congresshalle. Eine Veranstaltung in Kooperation mit den IG Metall Geschäftsstellen Homburg-Saarpfalz, Neunkirchen, Saarbrücken und Völklingen und der Technologieberatungsstelle BEST e.V.
Das „Industrieland Saarland“ steht allerdings vor einer „Zweifachen Transformation“: Neben Digitalisierung und Automatisierung üben vor allem die Dekarbonisierung und die notwendigen klimapolitischen Umstellungen in der Produktion enormen Druck aus. Etwa bei der Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektromotor. Hier ist klar, dass Elektroautos über deutlich weniger Bauteile als Verbrennerfahrzeuge verfügen. Heißt: weniger Produktionsaufwand und gegebenenfalls auch weniger Arbeitsplätze!?
Und nicht nur die Umstellung des Antriebssystems stellt die Kfz-(Zulieferer)-Industrie und die davon abhängigen Arbeitsplätze vor enorme Herausforderungen. Auch die Digitalisierung sorgt für deutliche Umbrüche – sowohl was die Produktionsprozesse als auch die Produkte selbst angeht. Neue Wettbewerber drängen auf den Markt, neue Kompetenzanforderungen werden von den Beschäftigten verlangt.
Wenn mit dem Entstehen von neuen Branchen und Produkten auch neue Berufe und Tätigkeitsfelder einhergehen, ist es entscheidend, dass Umstellungsprozesse und Neuansiedlungen mit entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen begleitet werden. Dafür engagiert sich die Arbeitskammer in Projekten wie dem Transformationsnetzwerk Saarland (TraSaar) oder dem Weiterbildungsverbund Saarland.
„Wer Industriepolitik aber ohne Energiepolitik denkt, wird auf Dauer scheitern. Wir brauchen im internationalen und europäischen Wettbewerb konkurrenzfähige Energiepreise und hier insbesondere vernünftige Strompreise. Die sind nicht konkurrenzfähig, die sind viel zu hoch“, betont Caspar.
Hinzu kommen Exportabhängigkeiten in einem schwierigen außenwirtschaftlichen Umfeld, Standortkonkurrenzen und verlängerte Werkbänke im Saarland. Selbst wenn die hier ansässigen Konzerne wie ZF, Bosch oder Schaeffler im Transformationsprozess in Gänze gut aufgestellt sein sollten: Dem Produktionsstandort im Saarland fehlen klare, langfristige Zukunftszusagen.
„Aber es gibt auch einen wichtigen Meilenstein, den wir gemeinsam erreicht haben. In der saarländischen Stahlindustrie wurde ein zukunftsträchtiger Weg eingeschlagen. Die Umstellung auf grünen Stahl mithilfe von Wasserstoff hat begonnen. Die Anwendung von Wasserstoff wird zukünftig für industrielle Fertigungsketten eine zunehmend wichtige Rolle spielen, auch und hoffentlich vor allem im Saarland“, so Caspar. Außerdem gibt es Chancen für neue Geschäftsfelder – z.B. über den Aufbau einer Pipelineinfrastruktur – für Zuliefererbetriebe, da unterschiedliche Bauteile und Technologien benötigt werden.
Voraussetzung dafür, dass das Saarland Wasserstoffland wird, ist aber, dass essentielle Fragen beantwortet werden: Wie viel Wasserstoff werden wir hierzulande brauchen? Wie viel Energie ist dazu notwendig? Woher kommt der grüne Wasserstoff bzw. die grüne Energie zur Herstellung? Bekommen wir es hin, die derzeitigen Industriellen Zentren im Land mit Wasserstoff zu versorgen bzw. auszubauen?
Zentral ist, dass die Landesregierung ihre zur Verfügung stehenden Instrumente dazu nutzt, dass perspektivisch weitere Industrieunternehmen im Saarland ihre Investitionen hin zu einer klimaneutralen Industrieproduktion ausweiten. „Mit dem drei Milliarden umfassenden „Transformationsfonds“ leistet das Land hierbei umfangreiche finanzielle Impulse. Ohne diese Transformationsfonds hätte das Land die Fördermittel des Bundes für die Stahlindustrie gar nicht abrufen können!“, betont Caspar.
„Wichtig für uns ist, dass die Vergabe der Mittel aus dem Fonds an Unternehmen unter der Prämisse Guter Arbeit stehen und die Mitbestimmung im Blick behalten wird, damit gute Arbeitsplätze erhalten werden und neue entstehen können“, fordert Caspar.
Und im Hinblick auf die Bereitstellung von öffentlichen Geldern im Rahmen der Transformation – vor allem nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Ende letzten Jahres - muss das Dogma der Schuldenbremse endlich gekippt werden. „Wer das nicht will und blockiert, der versündigt sich an zukünftigen Generationen“, so Caspar.
„Bei den vielen Herausforderungen und Veränderungsprozessen ist für uns klar: Die können nur durch eine umfassende Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen gelöst werden!“, sagt Caspar. Mitbestimmte Betriebe sind enorm wichtige Akteure bei Umstellung und Innovation. „Denn den langfristigen Unternehmenserfolg haben häufig vor allem die Mitbestimmungsgremien im Blick, da sie nicht nur an kurzfristige Gewinne denken. Betriebsräte haben ein langfristiges Interesse an Arbeitslätzen am Standort und bringen oft auch eigene Initiativen für zukunftsfähige Produkte ein – wir haben im Saarland genügend Beispiele dafür.“
„Die Mitbestimmung der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen muss den gestiegenen Anforderungen entsprechend deutlich erweitert werden! Denn über die Einbindung der Arbeitnehmerseite kann gewährleistet werden, dass wichtige Impulse für die Zukunftsorientierung und damit den Erhalt der Betriebe auch von Seiten der Beschäftigten und Gewerkschaften ausgehen können“, fordert Caspar abschließend.
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