Knapp 15 Jahre ist es her, dass die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel die „Bildungsrepublik Deutschland“ ausgerufen hat. „Für eine erschreckend hohe Zahl junger Menschen in unserem Land müssen diese Worte wie blanker Hohn klingen“, kommentiert Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes, die heute veröffentlichte Bertelsmann-Studie zu jungen Menschen ohne Schulabschluss. Die Studie zeigt, dass sich die Zahl der Schüler*innen, die die Schulpflichtzeit ohne Hauptschulabschluss hinter sich lassen, in den vergangenen zehn Jahren bundesweit auf einem hohen Niveau von circa 6% eingependelt hat. Im Saarland liegt die Quote sogar über dem Bundesschnitt und ist von 5,2% (2012) auf 6,6% (2021) gestiegen, mit Spitzenwerten im Zeitraum von 2016 bis 2019 von um oder sogar über 7%. Zudem verfügen bundesweit knapp 2,7 Millionen Zwanzig- bis Vierunddreißigjährige über keine abgeschlossene Berufsausbildung. „Das sind schlechte Voraussetzungen für die individuelle Erwerbsbiografie und unsere alternde Gesellschaft, die schon jetzt in vielen Branchen einen Fachkräftemangel zu beklagen hat. Und die Studie zeigt erneut den starken Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungsungleichheiten - einem der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft“, sagt Otto.
Ein fehlender Schulabschluss erschwert den Zugang zum Ausbildungsmarkt erheblich. Das Risiko für Arbeitslosigkeit ist zudem für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung fast sechsmal höher als für solche mit Berufsausbildung. Angesichts wachsender Ansprüche an die schulische Qualifikation angehender Auszubildender dürfte es für diese Menschen sehr schwierig werden, beruflich Fuß zu fassen. Das ist umso besorgniserregender als bereits heute ein massiver Fachkräftemangel in gesellschaftlich zentralen Berufsfeldern besteht. Dieser wird sich zwangsläufig in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklungen verschärfen. „Die Arbeitskammer fordert daher, junge Menschen nicht durchs Netz fallen zu lassen! Es muss unser gesamtgesellschaftlicher Anspruch sein, dieser Generation gute Arbeits- und damit Lebensbedingungen zu bieten“, so Otto.
Besonders erschreckend ist aus Sicht der Arbeitskammer, dass unter den saarländischen Schüler*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sogar 18,2 % nicht einmal einen Hauptschulabschluss erlangen. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Es kann nicht angehen, dass fast jede*r fünfte ausländische Schüler*in unserem Bundesland durchs Bildungsnetz fällt, die Herkunft also soziale Exklusion bedingt“, mahnt Otto.
„Mit großer Sorge stellen wir außerdem fest, dass bundesweit knapp die Hälfte (49,2%) derjenigen, die ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, von Förderschulen kommen. Jede*r zweite Förderschüler*in erlangt demnach keinen Schulabschluss. Dies ist alarmierend, denn ein großer Teil dieser Kinder (überwiegend aus dem umstrittenen Bereich „Lernen“/„Lernbehinderung“) stammt aus ökonomisch benachteiligten Familien“, so Otto.
Da die Zahl von Armut bedrohter oder betroffener Kinder stark zunimmt, ist zu befürchten, dass in Zukunft noch mehr junge Menschen keinen Schulabschluss erlangen werden. Daher appelliert die Arbeitskammer an die Politik, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um einer Zementierung von Jugendberufs- und Arbeitslosigkeit vorzubeugen.
So müssen Schule und Jugendhilfe enger verzahnt werden – zu einem echten inklusiven Schulsystem. Das Übergangssystem von Schule zum Beruf muss auch verbessert werden. Dazu gehört mehr individuelle Förderung sowie der Ausbau und die Stärkung der Jugendberufshilfe. Wichtig ist auch eine umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie auch für Jugendliche ohne Hauptschulabschluss. Das muss verbunden werden mit flexibel anpassbaren Unterstützungsmaßnahmen. „Oberstes Ziel muss es sein, allen Menschen eine gleichberechtigte soziale Teilhabe zu ermöglichen. Ein Schulabschluss verbunden mit einer qualifizierenden Ausbildung ist hierfür unerlässlich“, so Otto abschließend.
Und hier finden Sie die Studie als PDF: Bertelsmannstudie "Jugendliche ohne Hauptschulabschluss"
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