Grenzgängerinnen und Grenzgänger mussten während der Corona-Pandemie enorme Nachteile in Kauf nehmen. Dass die damaligen nationalen Coronaschutz-Verordnungen gegen EU-Recht verstoßen, hat die Task Force Grenzgänger (TFG) bereits vor drei Jahren angemahnt. Geschehen ist nichts. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof die damalige TFG-Analyse bestätigt.
Einige Formulierungen in den Regelungen wie dem § 56 des deutschen Infektionsschutzgesetzes, der u.a. die Entschädigung von Verdienstausfall regelt, hatten zur Folge, dass in der ersten Coronawelle die Unternehmen den Grenzgänger*innen aus Frankreich zwar den Lohn bei einer Quarantäne weitergezahlt haben, später das Geld vom Land aber nicht erstattet bekamen. Mit dem Verweis, dass im Infektionsschutzgesetz steht, dass die Quarantäne von einer zuständigen deutschen Behörde angeordnet werden muss. In der zweiten Coronawelle haben viele Firmen den Grenzgänger*innen in Quarantäne in der Folge keinen Lohn weitergezahlt. Die Grenzgänger*innen gingen also leer aus. Denn in Frankreich hatten Grenzgänger*innen keinen Anspruch auf Erstattung.
Grenzgänger*innen haben also im Falle einer Quarantäne, die von einer französischen Stelle angeordnet worden ist, weder in Frankreich noch in Deutschland Anspruch auf eine Entschädigung für ihre Einkommensverluste. Ähnliche Probleme sind auch für Grenzgänger*innen mit Wohnsitz in Belgien aufgetreten, die in Deutschland eine unselbstständige Tätigkeit ausüben.
Die TFG hatte sich bereits 2020 für eine Entschädigung von Grenzgänger*innen ausgesprochen und im Jahr 2022 ein Rechtsgutachten mit einer rechtlichen Analyse und Lösungsansätzen erstellt. Die Situation ist nun dank des EuGH-Urteils vom 15. Juni für die Zukunft geklärt.
In Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens des österreichischen Obersten Verwaltungsgerichts hat der EuGH folgendes entschieden: „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die eine Vergütung davon abhängig macht, dass eine Quarantänemaßnahme durch seine eigenen Verwaltungsbehörden auferlegt wurde. Eine solche Regelung kann zu einer mittelbaren Diskriminierung der Wanderarbeitnehmer führen.“
Eine solche Regelung, also auch die deutsche Regelung, steht im Widerspruch zu dem Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011). Sie enthalten eine verbotene indirekte Wohnortklausel, die nicht objektiv durch das Interesse an der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt ist. Im Gegenteil, die Gewährleistung an Grenzgänger*innen wäre zugunsten der öffentlichen Gesundheit gewesen.
„Deutschland muss sich in Zukunft an diese Entscheidung anschließen, um sich nicht der Nichteinhaltung des EU-Rechts schuldig zu machen: Grenzgänger*innen dürfen nicht mehr von der Entschädigung ausgeschlossen werden“, sagt Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes. Diese Entscheidung ist auch für deutsche Gerichte, die mit demselben Problem konfrontiert sind, bindend. Falls noch rechtliche Verfahren anhängig sind, müssen sich die Gerichte daran halten.
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