Mit Blick auf die neu zu bildende Landesregierung fordert die Arbeitskammer dazu auf, weiter mehr Bildung zu wagen. „Gute Bildung ist gerade für unser vom Strukturwandel besonders betroffenes Land ein zentrales Politikfeld, das einer Bildungsoffensive bedarf“, sagt Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes, am Donnerstagabend beim AK-Forum zur Bildungspolitik nach der Landtagswahl - in Kooperation mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Landeselterninitiative für Bildung. Dass es beim Thema Bildung im Saarland deutlichen Handlungsbedarf gibt, hat auch die Corona-Krise vor Augen geführt. „Im Saarland stellt die mangelnde Chancengleichheit noch immer die bildungspolitische Achillesferse dar. Zu den bildungspolitischen Realitäten gehört aber auch, dass die personellen und finanziellen Ressourcen nicht ausreichen“, so Otto.
Das Land stellt zusammen mit Kreisen und Kommunen an öffentlichen Bildungsausgaben insgesamt am wenigsten aller Bundesländer bereit. Auch der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am Landeshaushalt ist der niedrigste aller Flächenländer, wie der aktuelle Bildungsfinanzbericht zeigt. „Das muss sich dringend ändern, wenn wir ernsthaft für mehr Chancengleichheit über die gesamte Bildungskette sorgen wollen. In den nächsten fünf Jahren brauchen wir eine Bildungsoffensive mit durchweg guten und mitbestimmten Arbeits- und Lernbedingungen”, fordert Otto.
In der Frühkindlichen Bildung ...
Kitas sind mehr als Orte der Betreuung – sie sind die erste öffentliche Bildungsinstitution, die nahezu alle Kinder ab spätestens drei Jahren besuchen. Trotzdem fehlt es immer noch an beschäftigungsfreundlichen Strukturen, die eine qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit sicherstellen. Die Arbeitskammer fordert im frühkindlichen Bereich deshalb eine nachhaltige Strategie, die auch über die Pandemie hinaus für eine tatsächliche Entlastung der Beschäftigten sorgt. „Im Klartext bedeutet das: deutlich mehr Personal und kleinere Gruppen v.a. bei den Kleinsten. Und der Mehrwert multiprofessioneller Fachkräfte kommt erst deutlich zum Tragen, wenn diese zusätzlich zu Erzieherinnen eingestellt werden, etwa in der Weiterentwicklung von Kitas zu Familienzentren. Zudem braucht es mehr Entlastung durch Verwaltungskräfte und somit mehr Zeit für die unmittelbare pädagogische Arbeit. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Bildungskette nicht bereits auf der ersten Stufe fundamentalen Schaden nimmt“, so Otto.
In den Schulen ...
Laut Bildungsmonitor 2021 liegt die Schulabbrecherquote im Saarland mit 7,2 Prozent über dem Durchschnitt der Bundesländer. Auch bei der Verringerung der Exklusionsquote (Anteil der Schüler*innen an Förderschulen) verzeichnet das Saarland keinen Erfolg. „Bei allen Fortschritten, die es zweifellos gab, gilt es also, mehr Aufmerksamkeit auf jene Schülerinnen und Schüler und ihre Unterstützung zu lenken, die aus unterschiedlichen Gründen eine schwierige Bildungsbiografie haben”, so Otto.
Um einen gezielten Beitrag für mehr Chancengleichheit zu leisten, müssen deshalb die unterschiedlichen Ausgangslagen und pädagogischen Herausforderungen von Schulen systematisch berücksichtigt werden, etwa anhand schulgenauer Daten zu den sozialen Lebensumständen der Kinder und Jugendlichen. Schulen mit mehr Förderbedarf bei ihren Schülern müssen also gezielt mehr Sachmittel und Personal erhalten. Angesichts des Lehrkräftemangels fordert die Arbeitskammer zudem den raschen Ausbau der Studienplätze v.a. für das Lehramt für die Primarstufe, die Einrichtung eines Lehrstuhls für Inklusions- und Förderpädagogik sowie die Errichtung und Vernetzung von Beratungs- und Unterstützungszentren für inklusive Bildung. Otto: „Wenn das Land in den Punkten nicht nachlegt, wird vielen Schülern der Start in die schulische Bildung nicht gelingen und werden Schüler, denen das Lernen besonders schwerfällt, auf der Strecke bleiben.”
In der Beruflichen Bildung ...
Auch an den beruflichen Schulen sind Heterogenität und Problemlagen der Schülerschaft sehr groß. Schulsozialarbeit und multiprofessionelle Teams sind daher von elementarer Bedeutung und müssen systematisch und bedarfsgerecht ausgebaut werden. Experten plädieren für einen kontinuierlichen Ausbau der Schulsozialarbeit an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen bis zu einer Relation 1 Fachkraft/Vollzeitstelle: 150 Schülerinnen und Schülern. Unterstützende Maßnahmen wie assistierte Ausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen und Verbundausbildungen müssen ausgebaut, qualitativ gestärkt, aber auch bekannter gemacht werden, um ihr Potenzial besser zu nutzen. Und es gilt, dem Lehrkräftemangel in vielen Fachbereichen der Berufsbildenden Schulen vorausschauend und nachhaltig entgegenzuwirken.
In den Hochschulen ...
Wissenschaftliche Karrierewege und Arbeitsplätze an den Hochschulen müssen insgesamt attraktiver gestaltet werden. Dazu gehört auch die Einführung eines Tarifvertrages und einer Personalvertretung für studentische Beschäftigte. „Gute und sichere Arbeit mit einer starken Mitbestimmung, einer fairen Bezahlung, weniger Befristungen in Kurzzeitverträgen und mehr Dauerstellen für Daueraufgaben muss an unseren Hochschulen Standard werden – für studentische Beschäftigte und den akademischen Mittelbau ebenso wie für das Personal in Wissenschaftsmanagement, Verwaltung und Technik“, fordert Otto. Und dazu braucht es eine verlässliche, dauerhaft auskömmliche Grundfinanzierung. Nur so können die Hochschulen konkurrenzfähig bleiben und die stetig steigenden Anforderungen in Forschung, Lehre, Transfer und Kooperation erfolgreich erfüllen.
„Bildung ist ein Menschenrecht und hierfür ist in der föderalen Bundesrepublik weitgehend die Landespolitik verantwortlich. Sie ist es, die hier die bildungspolitische Gestaltungsmöglichkeiten hat, damit Bildung im Land chancengerecht, zukunftsfähig und nachhaltig wird. Dies müssen sich die Mitglieder der zukünftigen Landesregierung zu Herzen nehmen und dies materiell auch schon ab dem kommenden Landeshaushalt zeigen“, so Otto abschließend.
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