„Die Kultur- und Kreativbranchen braucht ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten, die eine Förderung der Branche jenseits von ökonomischen Zwängen auf kooperativer Basis ermöglichen und die die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse in der Branche zurückdrängen“. Das fordert Thomas Otto, Hautgeschäftsführer der Arbeitskammer, im Vorfeld der zweitägigen Konferenz „Kollaboratives Wirtschaften – Perspektiven für Kreativschaffende“ (18. und 19. Mai) von Dock 11, Arbeitskammer, s:coop und dem Institut K8.
Im Zuge der Pandemie und der Maßnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Virus sind die wirtschaftlichen Aktivitäten der Kultur- und Kreativbranche zeitweise so gut wie überall zum Erliegen gekommen. Materielle Existenzängste der dort Tätigen sind die Folge. Dabei sind prekäre Arbeit, die Verbreitung niedriger Löhne, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und geringe soziale Absicherung gegen Standardrisiken wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Alters-armut und Arbeitslosigkeit ohnehin besorgniserregende Merkmale weiter Teile der Branche. „Die Corona-Pandemie hat die prekäre Arbeits- und Lebenssituation von Kultur- und Kreativ-schaffenden nicht nur deutlicher sichtbar und erfahrbar gemacht, sondern auch enorm verschärft“, so Otto.
Eine bundesweite Umfrage unter über 2.000 Selbständigen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW) kommt zu dem Ergebnis, dass die Corona-Krise für 83 % negative Auswirkungen auf ihre Selbständigkeit hatte. Über die Hälfte sehen sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. „Es sollten strukturelle Initiativen ergriffen werden, um die Einkommens- und Beschäftigungslage der Kultur- und Kreativschaffenden zu verbessern“, fordert Otto.
Die Bereitstellung von finanziellen Corona-Hilfen habe zudem gezeigt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft als eine Arte Sekundärwirtschaft behandelt wird. Das kann zum einen damit zusammenhängen, dass die Branche über keine passgenaue kollektive Interessensvertretung verfügt. Die oben zitierte Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass sich 82 % der Befragten gegenüber der Politik wenig bis gar nicht gut von ihrer Interessensvertretung vertreten sahen, nur 9 % sind in einer Gewerkschaft organisiert. Zum anderen erscheinen grundsätzlich ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten notwendig, die den Bedürfnissen von Kultur- und Kreativschaffenden entsprechen und eine unabhängige Branchenentwicklung ohne prekäre Lebensverhältnisse ermöglichen. „Es sollte darum gehen eine freie, nicht institutionsgebundene Kunst- und Kreativszene zu fördern mit dem Ziel einer konsequenten Orientierung an den eigenen künstlerischen und kreativen Fragen ohne Aspekte von Vermarktung und Finanzierung von Beginn an“, so Otto.
Ein möglicher Ansatzpunkt, um dem gerecht zu werden und die Branche weiterzuentwickeln bzw. -zu organisieren, könnte die Etablierung von kollaborativen bzw. genossenschaftlichen Gedanken bei Kultur- und Kreativinitiativen sein. „Kultur- und Kreativgenossenschaften könnten Kunst- und Kreativität sowie die freie Entfaltung von Ideen jenseits von ökonomischen Zwängen auf kooperativer Basis fördern. Dabei spielt die Frage, wie und ob Kultur- und Kreativschaffenden zusammenarbeiten, eine große Rolle – nämlich in Form von Kooperation statt in einem konkurrenzbetonten Gegeneinander.“ Eine kooperative Herangehensweise könnte insbesondere angesichts der Corona-Krise an Dynamik gewinnen: „Die Pandemie ist eine Art Treiber für Kooperationen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dies sollte man unbedingt als Chance begreifen“, so Otto abschließend.
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